Kehrtwende bei Mindestlohn und Energiepolitik

(c) Dapd (Jens Schlueter)
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Merkel rechtfertigt vor dem Parteitag ihre Kursänderungen in der Sozial- und Atompolitik. Der Mindestlohn solle auch nicht staatlich verordnet, sondern von den Sozialpartnern ausgehandelt werden.

Leipzig/Wb/Ag. „Wir dürfen unseren Kompass nie aus den Augen verlieren“, sagte Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel beim CDU-Parteitag in Leipzig. Die deutschen Christdemokraten dürften ihre Werte nicht vergessen. Dennoch, so rechtfertigte sich die Parteivorsitzende, sei es von Zeit zu Zeit notwendig, „alte Antworten zu überprüfen und neue zu geben“. Als Beispiel nannte sie die Abkehr von der Pro-Atom-Politik der CDU, die nach dem Kernkraftwerksunfall in Fukushima nicht mehr aufrecht zu erhalten war.

Sozialpartner sollen verhandeln

Eine Kehrtwende erlebten ihre Parteikollegen aber auch in der Sozialpolitik. Der Mindestlohn sollte zum sensibelsten Thema des Parteitags werden, weil die Parteispitze nun offen für Lohnuntergrenzen in tariflosen Branchen eintritt. Die Debatte darüber steuerte noch am Vorabend des Parteitags auf einen offenen Konflikt zu. Dann aber vermittelte Generalsekretär Hermann Gröhe eine Lösung zwischen Sozial- und Wirtschaftsflügel. Eine Anbindung an das Niveau der Zeitarbeit von sieben bis acht Euro pro Stunde soll es nun nicht geben. Der Mindestlohn solle auch nicht staatlich verordnet, sondern von den Sozialpartnern ausgehandelt werden, stellte Merkel klar. In der Kompromissformel heißt es: „Die Lohnuntergrenze wird durch eine Kommission der Tarifpartner festgelegt und soll sich an den für allgemein verbindlich erklärten tariflich vereinbarten Lohnuntergrenzen orientieren.“

Ein weiteres wichtiges Thema des Parteitags ist die Bildung. Als der CDU-Vorstand im Sommer in einem Antragsentwurf die Abkehr von der Hauptschule verkündete, gab es einen Aufschrei. Die Antragskommission schwächte den Antrag daraufhin zwar etwas ab, blieb aber bei der Ausrichtung auf eine zweigliedrige Schulstruktur aus Gymnasium und der neuen Schulform Oberschule, in der Haupt- und Realschulen zusammengeführt werden sollen. Nun wird die neue Oberschule aber bloß noch als „wünschenswert“ bezeichnet.

Der CDU-Parteitag in Leipzig beschäftigt sich auch mit dem Thema Europa. In dem Leitantrag „Starkes Europa – Gute Zukunft für Deutschland“ wirbt die Partei für die Rettungsfonds EFSF und ESM und pocht auf eine Änderung der EU-Verträge, um eine zu hohe Verschuldung von Mitgliedstaaten ahnden lassen zu können. Ein Sparkommissar soll die Umsetzung von Sanierungsprogrammen überprüfen. Eurobonds lehnt die CDU strikt ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2011)

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