Wie die Haut Schutz bietet

(c) Bilderbox (Erwin Wodicka)
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In künstlich gezüchteten Hautproben wird getestet, welche Funktionen Mastzellen in der Haut spielen - und wie sie an Hauterkrankungen beteiligt sind.

Grenzzonen sind immer heikel. Nicht nur politisch, auch in der Biologie. Unsere Haut ist so eine Grenzzone: Sie bildet die Grenze zwischen innen und außen. Nach außen soll sie die Flüssigkeit aus dem Inneren nicht zu sehr herauslassen, nach innen darf sie keine Eindringlinge lassen. Freilich sind an solchen Grenzen besondere Zellen des Immunsystems stationiert: „Mastzellen befinden sich an Grenzflächen des Körpers, z.B. in der Haut oder in der Lunge, wo der Kontakt zur Außenwelt groß ist“, erklärt Maria Gschwandtner von der Uni-Klinik für Dermatologie der Med-Uni Wien. Sie erhielt heuer eines der Hertha-Firnberg-Stipendien des FWF, die junge Forscherinnen unterstützen. „Mastzellen sind vor allem im Zusammenhang mit Allergien bekannt“, erklärt Gschwandtner. „Sie sind verantwortlich für Symptome wie Jucken, Niesen oder die Rötung nach einem Bienenstich bis hin zum anaphylaktischen Schock.“

Ihren Namen haben Mastzellen von ihrem dick und satt gefressenen Aussehen: In den Zellen gibt es Depots, in denen Substanzen wie Histamin, Heparin und andere Enzyme und Proteine in großen Mengen gespeichert sind. „Man dachte früher, dass Mastzellen andere Gewebstypen ernähren.“ Wird eine Mastzelle vom Immunsystem aktiviert, dann werden die gespeicherten Substanzen explosionsartig freigesetzt – was eben zu Juckreiz etc. führt.

In ihrem Projekt will Gschwandtner die Rolle dieser Mastzellen für die Barrierefunktion der Haut erkunden: „Denn Mastzellen findet man in der unteren Schicht der Haut, der Dermis (Lederhaut; Anm.). Ihre Funktion ist, Alarm zu schlagen, wenn fremde Stoffe eindringen.“ Doch bei Erkrankungen, zum Beispiel Neurodermitis oder Schuppenflechte, treten Mastzellen stark vermehrt auf. Die Frage ist, ob die Mastzellen, die den Körper vor Problemen schützen sollen, in diesem Fall selbst zum Problem werden.


Laborversuche. Dass z.B. bei Neurodermitis die Schutzfunktion der Haut gestört ist, weiß man: Zu viel Flüssigkeit geht verloren, die Patienten haben sehr trockene Haut. Und Erreger können leichter eindringen, da die Hornschicht, die oberste Hautschicht aus abgestorbenen Epidermiszellen, ihre Barrierewirkung verliert.

„Die Ursachen für diese Störung sind noch nicht geklärt: Manche Studien weisen auf genetische Faktoren hin, jedoch erklären Mutationen nicht alle Krankheitsfälle“, so Gschwandtner. Es wäre möglich, dass Mastzellen bei dieser Störung beteiligt sind, schließlich speichern sie viele Substanzen, die Hautirritationen auslösen können. „Wir erforschen das im Labor in Zellkultur.“ Dazu werden menschliche Hautzellen und Mastzellen isoliert: Auf einer Matrix aus Collagen und Dermis-Zellen wachsen diese im Laborschälchen zu kleinen Stückchen künstlicher Haut heran. „In Struktur und Funktion ist das vergleichbar mit unserer Haut. In Experimenten behandeln wir die künstliche Haut mit Substanzen, untersuchen einzelne Faktoren und beobachten, wie Mastzellen in die Zerstörung der Hornschicht involviert sind“, erklärt Gschwandtner.

Die ersten Versuche sind vielversprechend: Die Hinweise, dass Mastzellen eine Rolle bei Neurodermitis und Schuppenflechte spielen, häufen sich. „Später wollen wir auch an Mäusen forschen: Es gibt Mausmodelle, denen Mastzellen gänzlich fehlen. So kann man untersuchen, wie die Barrierefunktion der Haut gestört ist, und welche Faktoren zu einer schnelleren Heilung führen.“ Denn das ist das Ziel der Forschung: Ansatzpunkte zu finden, wie man Menschen mit Neurodermitis und Schuppenflechte helfen kann. „Die vermehrten Mastzellen erkennt man sehr früh: Wenn man hier Mechanismen der Erkrankung von vornherein blockieren kann, kann man vielleicht die Störung der Hautbarriere verhindern“, hofft Gschwandtner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2011)

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