VKI geht mit Strafanzeige gegen "System AWD" vor

Konsumentenschützer gehen mit Strafanzeige gegen AWD vor
Konsumentenschützer gehen mit Strafanzeige gegen AWD vor(c) AP (Axel Heimken)
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Die Konsumentenschützer nehmen das "Innenleben" des Strukturvertriebs auseinander. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen rund 20 Personen.

Der Finanzdienstleister AWD hat in Österreich wegen des Verkaufs von Immofinanz- und Immoeast-Aktien fünf Sammelklagen im Namen von 2500 mutmaßlich Geschädigten und einem Streitwert von 40 Millionen Euro am Hals. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im April auch eine umfangreiche Strafanzeige wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht.

Die Anzeige richtet sich gegen AWD-Gründer Carsten Maschmeyer sowie aktuelle und frühere Geschäftsführer von AWD Österreich und das Unternehmen selbst. Rund 1800 vom VKI vertretene Anleger wollen sich einem etwaigen Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen. Der AWD weist die Vorwürfe "mit aller Entschiedenheit und auf das Schärfste" zurück und erwägt rechtliche Schritte.

Ermittlungen gegen 20 Personen

Die Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt in der Causa AWD "gegen rund 20 Personen aus dem Kreis des Managements", bestätigte der Sprecher der Anklagebehörde, Oberstaatsanwalt Martin Ulrich am Mittwoch. Dem Vernehmen nach wird auch gegen AWD-Gründer Maschmeyer ermittelt. Wie lange die Ermittlungen noch dauern, ist noch nicht absehbar.

Ulrich bestätigte auch, dass seine Behörde bereits "mehrfach Vernehmungen durchgeführt" hat. Nach APA-Informationen wurde unter anderem im November ein ehemaliger AWD-Topmanager aus Deutschland, der Anfang der 1990er Jahre das Vertriebsnetz in der Schweiz aufbaute und lange Jahre ein Vertrauter von Maschmeyer war, als Zeuge einvernommen.

Vorwurf der systemischen Fehlberatung

Wie in den Zivilklagen lautet der Hauptvorwurf des VKI auf systematische Fehlberatung. Der VKI kommt in der 83 Seiten starken Strafanzeige zum Schluss, dass Maschmeyer, bis 31. September 2009 Vorstand der deutschen AWD Holding AG, "maßgeblich für die Entwicklung und Durchsetzung der betrügerischen Strategie des AWD" verantwortlich gewesen sei. Sein unternehmerisches Verhalten sei geprägt von einer "Diskrepanz zwischen Sein und Schein".

Auch die die zweite Managementebene der AWD-Geschäftsführung , die Direktoren, sowie die AWD Gesellschaft für Wirtschaftsberatung GmbH in Wien sehen die Konsumentenschützer in der Pflicht. Sie hätten die einfachen AWD-Vermittler (Agenten) in ihrem "betrügerischem Verhalten" verstärkt, nämlich Kunden zu täuschen, um möglichst hohe Provisionen zu kassieren.

Die Verdächtigen werden allesamt des schweren gewerbsmäßigen Betrugs bezichtigt: Der AWD habe seine Kunden nicht über das Risiko von Immofinanz- bzw. Immoeast-Aktien aufgeklärt und zur einseitigen Übergewichtung des Portfolios in Immobilienaktien geraten. Das Sachverständigengutachten von Leopold Wundsam sagt, die Papiere seien unrechtmäßig als mündelsicher angepriesen, die Veranlagung in einzelne Immobilienaktien in betrügerischer Absicht als Veranlagung in "Immobilienfonds" bezeichnet worden.

Ehemaliger Berater packt aus

Besonders viel Raum widmen die VKI-Anwälte dem aus ihrer Sicht "hoch komplizierten und intransparenten" Provisionssystem des AWD. Hier stützen sie sich unter anderem auf die Aussagen eines ehemaligen hochrangigen AWD-Managers, der unter dem Pseudonym Maximilian von Ah über seine Zeit beim AWD einen Roman verfasst hat. Am 10. November 2011 packte der Deutsche von Ah auch bei der Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft aus und bekräftigte dort seine Aussagen. Von Ah hatte laut Eigenangaben bereits 1989 beim AWD angeheuert und ab 1992 das Vertriebsnetz in der Schweiz aufgebaut. Zum Schluss hatte er 500 Mitarbeiter unter sich, 1995 kam es wegen unklarer Geldflüsse zum Bruch mit Maschmeyer, von Ah kündigte fristlos. Laut von Ah drängen Strukturvertriebe ihre Vermittler in die Schuldenfalle, sie durchschauten das System selbst erst nach und nach. Dieser Argumentation schließt sich der VKI in seiner Strafanzeige an.

"Sektenähnliche Struktur"

Die AWD-Berater würden von Beginn an unter massiven, systematischen Verkaufsdruck gesetzt, so der VKI in seiner Strafanzeige. So habe es zwischen den verschiedenen AWD-Direktionen in Österreich sogar "Telefonwettkämpfe im Keilen von Kunden" gegeben; "glanzvolle Veranstaltungen" sollten den Mitarbeitern signalisieren: "Uns gehört die Welt." Einige Ex-AWD-Agenten, so der VKI, hätten dies als geradezu "sektähnliche Struktur" bezeichnet.

Bemängelt werden auch die fehlende wirtschaftliche Kenntnis der AWD-Berater sowie die interne "Ausbildung", die im Wesentlichen aus Verkaufstraining und Produktschulungen bestehe.

Im Visier haben die VKI-Anwälte auch die sogenannten Gesprächsnotizen, die den Kunden in der Regel "als bloße Formalität" zum Unterschreiben vorgelegt worden seien und dazu gedient hätten, sich gegen Anfechtungen bzw. Schadenersatzansprüche zu wappnen. Ausgedacht soll sich dies alles der schillernde wie streitbare deutsche Geschäftsmann Maschmeyer haben, der so der VKI, sei der "Master-Mind hinter dem Konzept, die Prinzipien des Multi Level Marketing (MLM) auf Vermögensberatung anzuwenden. Er hat das Ziel vorgegeben: "Die AWD-Agenten mögen so viel wie möglich verkaufen!" Auch die Schulungsinhalte für das Verkaufstraining gingen auf ihn zurück.

AWD kündigt rechtliche Schritte an

AWD Österreich hat derartige Anschuldigungen stets vehement bestritten, auch die in der Strafanzeige erhobenen Vorwürfe wurden seitens der Wiener AWD-Zentrale gegenüber der APA "mit aller Entschiedenheit und auf das Schärfste" zurückgewiesen.

Selbiges tat im Laufe des heutigen Tages auch die deutsche Muttergesellschaft, die AWD Holding AG mit Sitz in Hannover, in einer gleichlautenden Presseaussendung.Die Frage, ob mögliche strafrechtliche Ermittlungen gegen amtierende Manager von AWD Österreich Konsequenzen haben, wollte der Konzern nicht beantworten. "Ich kenne die Strafanzeige nicht und kann darüber nicht urteilen oder spekulieren", meinte ein Sprecher.

In der Aussendung kündigte der Finanzvertrieb jedenfalls "alle notwendigen rechtlichen Schritte gegen diese unternehmensschädigende Kampagne" und "entsprechende Maßnahmen wegen sämtlicher in Betracht kommender Delikte gegen den VKI und dessen Verantwortliche" an. Welche das genau sind, ist noch nicht klar. "Das werden die juristischen Kollegen in Österreich machen", sagte Anda. Diese hätten "unsere volle Rückendeckung".

Beim Schweizer Versicherungskonzern Swiss Life, zu dem der AWD mittlerweile gehört und in dessen Verwaltungsrat Maschmeyer sitzt, wollte man sich zu dem Fall gegenüber der APA am Mittwoch nicht äußern. Bis heute liege keine Strafanzeige vor. "Daher können wir zu diesen absurden Vorwürfen derzeit auch nichts sagen."

(APA/Red.)

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