Elfenbeinküste: Machtkampf endete im Strafgerichtshof

(c) EPA (NIC BOTHMA)
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Ex-Präsident Laurent Gbagbos wurde in der Nacht auf Mittwoch ausgeliefert. Doch auch Parteigänger der jetzigen Regierung begingen Verbrechen.

Abidjan. Die erste Meldung in den ivorischen Abendnachrichten vom Dienstag galt der Rückkehr von ins Exil geflüchteten Anhängern des im Frühjahr gestürzten Präsidenten Laurent Gbagbo. Sie sollte bei den in Abidjan immer noch sehr zahlreichen Partisanen Gbagbos wohl die Schockwirkung der zweiten Nachricht mindern: Dass Gbagbo sich bereits im Flugzeug nach Den Haag befinde – zwecks Überstellung an den Internationalen Strafgerichtshof. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, begangen während des blutigen Machtkampfs im Frühjahr, als er dem gewählten Präsidenten Alassane Ouattara nicht weichen wollte.

Die Auslieferung kommt zur Unzeit, denn am 11. Dezember soll in Côte d‘Ivoire eine Parlamentswahl stattfinden, die erste seit mehr als zehn Jahren. Sie wird jetzt allerdings so wenig repräsentativ sein wie die letzte im Jahr 2000. Damals hatte die Partei Ouattaras die Wahlen boykottiert, diesmal haben nach der Partei Gbagbos am Dienstag auch seine Anhänger in kleineren, neu gegründeten Parteien ihren Rückzug erklärt, als Protest gegen die Auslieferung.

Mit der Überstellung Gbagbos war zwar gerechnet worden. Ouattara hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er einen Prozess viel lieber in Den Haag als in Abidjan sähe. So kurz vor der Wahl wirkt sie indes übereilt. Zumal die ivorische Justiz noch vor Kurzem offiziell Anklage gegen Gbagbo wegen wirtschaftlicher Delikte erhoben hat. Es scheint, als schätze Ouattara negative Auswirkungen auf die nationale Versöhnung bei einem Prozess in Abidjan höher ein als bei einem internationalen Verfahren.

Hypothek für Versöhnung

Gleichwohl stellt sich bei aller Schwere der Delikte, die der Haager Chefankläger, Luis Moreno-Ocampo, Gbagbo vorwirft, die Frage der strikten Überparteilichkeit. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erinnerte daran, dass internationale Fact-fin-ding-Missions Menschenrechtsverletzungen in beiden Lagern festgestellt hatten. Der Strafgerichtshof ließ verlauten, weitere Überstellungen würden folgen. Ob da auch einige der mächtigen „Kriegsherren“ der ehemaligen Rebellenarmee „Forces Nouvelles“ dabei sein werden, die während des Bürgerkriegs unter dem Kommando des jetzigen Premiers Guillaume Soro standen, fragen sich nicht nur die Anhänger Gbagbos. Das Magazin „Jeune Afrique“ wies darauf hin, dass alle diese Kommandeure zum Teil erst seit Kurzem in wichtige Kommandoposten befördert worden waren.

Die Hypotheken, die ein Versöhnungsprozess in der ivorischen Gesellschaft abzutragen hat, sind nach Gbagbos Überstellung keineswegs kleiner geworden. Wie erfolgreich diese Versöhnungsarbeit letztlich sein wird, hängt sehr von der Bereitschaft der ehemaligen Rebellen Soros ab, „schwarze Schafe“ aus den eigenen Reihen zu entfernen.

„Die Ivorer sind das alles nach zehn mageren Jahren, die im Frühjahr einen mörderischen Abschluss fanden, leid. Sie wollen den Streit nicht wieder von vorn beginnen, sondern „einfach vergessen und für eine bessere Zukunft arbeiten“, wie Anani sagt, ein kleiner Unternehmer in Abidjans Nachbarstadt Grand-Bassam. Ob er recht behält, werden vielleicht schon die nächsten Wochen zeigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2011)

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