Ägypten: Der Wahlmarathon im Überblick

Wahlmarathon in Ägypten
Wahlmarathon in Ägypten(c) EPA (Khaled Elfiqi)
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Bis Ende März 2012 finden in Ägypten Wahlen statt. Zuerst wird - akutell - das Unterhaus gewählt, dann das Oberhaus, schließlich der mächtige Präsident. DiePresse.com bietet einen Überblick.

In Ägypten findet derzeit ein Wahlmarathon statt. Noch vier Monate wird das Land im Bann der Urnengänge stehen. Gleich drei Wahlen werden nacheinander abgehalten.

Derzeit: Wahl zum Unterhaus des Parlaments

50 Millionen Menschen sind zunächst aufgerufen das Unterhaus des Parlaments zu wählen. Aus rund 6500 Kandidaten werden die Ägypter ihre Vertreter wählen. Der Volksversammlung obliegt in Ägypten die Gesetzgebung. Ihre erste große Aufgabe wird sein, eine neue Verfassung auszuarbeiten und in Kraft zu setzen.

Den Urnengang beschreiten nicht alle 27 Provinzen des Landes gleichzeitig. Am 28. November haben neun Provinzen den Anfang gemacht, darunter die Hauptstadt Kairo, wo die Proteste gegen den gestürzten Despoten Hosni Mubarak am heftigsten waren. Sieger der ersten Etappe war die gemäßigt islamische Partei für Freiheit und Gerechtigkeit. Sie ist ein Ableger der mächtigen Muslimbruderschaft. Dahinter landete die radikale, salafistische al-Nur (Partei des Lichts). Erst dann folgten säkulare und liberale Parteien.

Ab 14. Dezember haben neun weitere Provinzen ihre Vertreter für das Unterhaus gewählt. Zwei Tage lang waren die Wahllokale für 18,8 Millionen Wähler geöffnet. Nach eigenen Angaben hat die Partei Freiheit und Gerechtigkeit rund 40 Prozent der Stimmen und 29 Sitze erhalten. Die al-Nur soll 35 Prozent der Stimmen und 23 Sitze eingefahren haben. Die liberale Wafd-Partei kommt mit neun Mandaten auf den dritten Rang. Ein großer Teil der 160 zu vergebenen Sitze wird ab Mittwoch (21. Dezember) bei Stichwahlen vergeben. Am 3. Jänner werden die ausstehenden Provinzen wählen. Etwa eine Woche später könnte das Endergebnis der Wahl der Volksversammlung feststehen.

Die Wahlen zum Unterhaus sind zweigeteilt. 332 Abgeordnete werden über Parteilisten gewählt, 166 Sitze werden vom Wähler direkt an die Kandidaten vergeben. Die Direktvergabe erfolgt in kleinen Wahlkreisen nach dem Mehrheitsprinzip. Erreicht im ersten Wahlgang bei den Direktmandaten keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit, erfolgt eine Stichwahl. In der Wahlphase der ersten vier Regionen kam es am Montag, eine Woche nach dem Grunddurchgang, bereits zu solch einer Stichwahl. Offizielle Ergebnisse werden nicht vor Donnerstag erwartet.

Ein Kuriosum hält der Wahlmodus ebenfalls bereit: Die Kandidaten werden zwei Berufsgruppen zugeteilt und gelten entweder als Angestellte oder Arbeiter/Bauern. In der Volksversammlung gilt eine 50-Prozent-Quote zwischen den beiden Gruppen. Gewinnen zwei Arbeiter in einem Wahlkreis, der zwei Abgeordnete stellt, dann geht der Zweitplatzierte leer aus. Sein Mandat fällt dem nächstplatzierten Angestellten zu.

Wahl zum Oberhaus des Parlaments

Ende Jänner beginnt die zweite Wahl. Dabei bestimmen die Ägypter 270 Mitglieder des „Shura Rats", dem beratenden Oberhaus im Parlament - wieder zeitlich nach Provinzen gestaffelt. Die Macht des "Shura-Rats" ist im Vergleich zu Volksversammlung allerdings limitiert. Er hat in vielen Fällen nur ein Recht, zu beraten. Wichtigen Gesetzen muss er aber zustimmen, etwa wenn mehrere Verfassungsartikel abgeändert werden sollen.

Wahl des Präsidenten

Schlussendlich wird Ende März die Krönung des Wahlmarathons erfolgen, wenn ein neuer Präsident gewählt wird. Der Präsident ist im politischen System Ägyptens, wie etwa auch in den USA, die zentrale Figur und wird es wohl auch im Regelwerk der neuen Verfassung bleiben. Er ist Staatsoberhaupt, ernennt und entlässt die Regierung, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und erlässt Verordnungen mit Gesetzeskraft.

Im ursprünglichen Plan des vorübergehend regierenden Militärrats war vorgesehen, den Präsidenten erst 2013 zu wählen. Als sich aber die Anzeichen verdichteten, dass der Militärrat sich eine wichtige Machtposition im zukünftigen politischen System Ägyptens sichern wolle, brachen am zentralen Tahrirplatz in Kairo erneut heftige Proteste aus. Daraufhin lenkte der Militärrat Ende November ein und stimmte zu, die Präsidentschaftswahlen schon im März 2012 abzuhalten. Wenn der Präsident sein Amt antritt, wird der Militärrat endgültig zurücktreten - so der derzeitige Plan.

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