Brandsteidl: "Ein soziales Problem, keines der Migranten"

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Die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl im "Presse"-Interview.

Die Presse: Nach der jüngsten Studie über die Wettbewerbsfähigkeit Wiens gibt es einen zu großen Anteil gering qualifizierter Jugendlicher.

Susanne Brandsteidl: Unsere Problemgruppe sind jene Kinder, die keinen Hauptschulabschluss haben oder die nach der Pflichtschule keine weitere Ausbildung absolvieren. Also entweder nicht in eine weiterführende Schule gehen oder keine Lehrstelle antreten.

Haben Sie Best-practice-Modelle, um dem entgegenzusteuern?

Bislang gab es zwei Pilotprojekte, die die Stadt Wien und da vor allem das AMS und der Wirtschaftsförderungsfonds gemeinsam mit dem Stadtschulrat punktuell an Schulen geführt hat. Jetzt wird seitens des Bundessozialamtes in Kooperation mit dem Stadtschulrat flächenartig die Betreuung von „ausgrenzungsgefährdeten Jugendlichen“ institutionalisiert. Die Rolle der Schule ist, diese Jugendlichen, die ausgrenzungsgefährdet sind, nach der subjektiven Erfahrung der Lehrer und nach objektiven Kriterien zu benennen. Diese werden von Mitarbeitern des Bundessozialamtes sozialpädagogisch und im Sinn von Lebenshilfe betreut, sodass sie fit für den Arbeitsmarkt sind.

Und was kann die Schule dabei tun?

Die Sozialarbeiter haben gegenüber Lehrern den Vorteil, dass sie bei den Jugendlichen „aufsuchende“ Arbeit machen können, dass sie in die Familien gehen können. Außerhalb der Schulpflicht kann die Schule – und das tun wir auch – ein zehntes und ein elftes Schuljahr kostenfrei anbieten.

Wer sind die ausgrenzungsgefährdeten Jugendlichen?

Viele, die in sozial und persönlich schwierigen Verhältnissen leben. Mit und ohne Migrationshintergrund. Wir haben kein klassisches Migrantenproblem, wir haben eine beginnende Subproletarisierung in einzelnen Brennpunkten. Auch von Einzelschicksalen ausgehend. Soziale Verhältnisse können wir nicht ändern, wir können nur schauen, dass Kinder, wenn sie in der Familie nicht betreut werden, durch andere Stellen aufgefangen werden.

Tatsache ist, dass die Wiener Schulen den größten Migrantenanteil Österreichs haben. Diese Kinder sprechen oft schlecht, manchmal gar nicht Deutsch.

Wir haben das verpflichtende Kindergartenjahr und viele Fördermodelle. Wobei Kinder mit sprachlichen Defiziten zu einem Drittel deutschsprachige Kinder sind. Das ist nicht ausschließlich ein Immigrantenproblem, es ist ein soziales Problem. Es gibt höhere Schulen, in denen der Migrantenanteil hoch ist, z.B. in der Handelsschule und Handelsakademie, die sind Aufsteigerschulen. ewi

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2011)

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