Manager Raidl: „Sonst kommt bald das nächste Paket“

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Claus Raidl mahnt beim Sparpaket zu Strukturreformen. Maximal ein Viertel dürfe aus neuen Steuern kommen, der Faktor Arbeit müsse entlastet werden. Den Mittelstand sieht er als enorm belastet.

Die Presse: SPÖ und ÖVP wollen bis 2016 zehn Milliarden Euro einsparen, 2012 sollen es zwei Milliarden sein. Die Koalition ist aber uneins, wie das funktionieren soll. Wie würden Sie es angehen?

Claus Raidl: Bevor das in eine Steuererhöhungsorgie ausartet, würde ich – vor allem als ÖVP – verlangen, dass man alle 599 Rechnungshof-Vorschläge heranzieht. Dann würde ich sofort die gesamte Gesundheit, die Spitalsfinanzierung, bundeseinheitlich regeln. Plus: Bezirksschulräte, Landesschulräte et cetera – da kann man ebenfalls viel einsparen. Erst dann würde ich die Steuern durchleuchten, sie nicht erhöhen, sondern umgruppieren.

Nämlich wie?

Man könnte eine Umwidmungsabgabe einführen, sodass man 25 Prozent Kapitalertragssteuer bei Umwidmung eines Grundstücks zahlt. Oder man könnte, wie bei der Wertpapierabgabe, eine Vermögenszuwachssteuer von 25 Prozent zahlen, wenn man ein Grundstück verkauft. Alle Mehreinnahmen würde ich aber nicht als Budget-Mehreinnahmen verwenden, sondern, um den Faktor Arbeit zu entlasten. Etwa bei der Lohnsteuer, da beginnen wir bei 36,5 Prozent, das ist Wahnsinn.

Wo würden Sie ansetzen?

Da müsste man zumindest auf 30 Prozent herunterkommen. Dann könnte man andere Steuern erhöhen. Etwa die Mineralölsteuer um zehn Prozent: Das bringt eine Milliarde. Man könnte auch die Mehrwertsteuer um einen Punkt erhöhen: bringt auch eine Milliarde. Man könnte eine Vermögenszuwachssteuer machen, eine Wertschöpfungsabgabe. Da bin ich dafür. Den Großteil der Steuereinnahmen müsste man aber verwenden, um die Lohnsteuer zu senken.

Der Mittelstand ist ja auch ein beliebter Streitpunkt von Rot-Schwarz . . .

Der ist enorm belastet. Käme es zu den genannten Steuern, könnte man das Wirken des Grenzsteuersatzes von 60.000 auf 80.000 Euro erhöhen. Das würde den Mittelstand entlasten. Dann könnte man eine Sonderabgabe ab 300.000 oder 250.000 Euro im Jahr bei Lohn- und Einkommensteuer einführen.

Ganz ohne neue Steuern geht es auch nach Ihrer Rechnung nicht?

Wir haben natürlich schon eine enorme Steuerbelastung, zwischen 43,8 und 44,5 Prozent. Es wäre daher furchtbar, würden wir das gesamte Problem der Schuldenbremse mit Steuererhöhungen angehen. Da entfiele ja der Druck auf die Politik für Strukturreformen.

Wiens Bürgermeister Häupl will das „Sparpaket“ zu zwei Dritteln aus neuen Steuern ermöglichen.

Was mich mit ihm eint: Ich bin gegen jede Erbschafts- und auch Vermögenssteuer. Für mich dürfen aber maximal 25 Prozent des Sparpakets über Steuern kommen. Sonst würde man das Budgetdefizit ja nur kurzfristig durch neue Steuern senken, und in drei Jahren kommt das nächste Paket. Dann nämlich, wenn Strukturen bleiben und bei Gesundheit, Pensionen und so weiter immer noch nicht gespart wird. Das muss aber sein.

Ihre Partei, die ÖVP, zögert auch noch. Sind Sie enttäuscht von Vizekanzler Spindelegger und seinem Team?

Man müsste auf der Seite der Ausgaben viel härter sein. Da habe ich noch keinen großen Vorschlag gehört, wie man Milliarden einsparen könnte. Siehe etwa die Doppelverwaltung der Pflichtschulen durch Bund und Land: Nichts passiert. SPÖ und ÖVP machen eine Schuldenbremse und missbrauchen sie für Steuererhöhungen!

Einschränkung der ÖBB-Förderungen, Änderungen beim Beamtendienstrecht et cetera: Diese Vorschläge der ÖVP gehen Ihnen wohl nicht weit genug.

Das ist ja alles richtig, bringt aber nicht Milliarden. Man wird auch darüber reden müssen, wieso 97 Prozent der Bauern keine Steuern zahlen. Die ÖVP muss aufpassen, dass sie nicht nur die Interessen der Beamten und Bauern vertritt.

Rechnen Sie tatsächlich im Februar 2012 mit dem Kompromiss für ein Sparpaket, den SPÖ und ÖVP angekündigt haben?

Ich setze da vor allem auf Finanzministerin Fekter, dass sie es nicht zulassen wird, dass nur Steuern erhöht werden, um kurzfristig das Budgetdefizit zu senken. Sondern dass sie mittelfristig denkt und dafür auch Strukturen angreift. Und auch die SPÖ wird Interesse haben, dass die Regierung erhalten bleibt. Bei Wahlen würde die SPÖ wohl nicht gut liegen, immerhin ist sie bisher nur mit Steuererhöhungspaketen gekommen. Ein schwerer Fehler, wie ich glaube.

Ihre Prognose für 2012: Worauf wird sich Rot-Schwarz einigen?

Ich erwarte eine Sonderabgabe für Höherverdienende, eine Umwidmungsabgabe, eine Vermögenszuwachssteuer für Grundstücke. Das ist auch alles sinnvoll, wenn dafür die Lohnsteuer gesenkt wird. Was Ausgabenkürzungen angeht, sehe ich Potenzial bei den ÖBB und bei den Wirtschaftsförderungen. Man wird sicher bei den Pensionen etwas tun. Und bei Gesundheit und Bildung muss etwas passieren.

Andernfalls wären Sie für Neuwahlen?

Ach, aus Selbsterhaltungstrieb wird man sich schon einigen.

Bereits in der Serie „Entscheidung 2012“ erschienen: Interview mit Franz Vranitzky (27. 12.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2011)

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