Sebastian Kurz: "Was die FPÖ sich wünscht, ist egal"

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Der Chef der Jungen ÖVP entwickelt ein neues Volksbegehrenmodell. Mit den ÖVP-FPÖ-Verhandlungen zur Schuldenbremse habe das allerdings nichts zu tun. Sagt Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz im Interview.

Die Presse: Die FPÖ wünscht sich für ihr Ja zur Schuldenbremse, dass Volksbegehren ab einer gewissen Unterschriftenanzahl eine verpflichtende Volksabstimmung nach sich ziehen. Die JVP entwickelt jetzt ein Modell dazu. Ist das wirklich Zufall?

Sebastian Kurz: Die JVP macht ein Demokratiepaket, Ausgangspunkt ist die große Politikverdrossenheit in Österreich. Die JVP will Politik wieder interessanter, transparenter machen. Wir widmen uns drei Bereichen: E-Voting und neue Medien, Bürgernähe in Österreich und Europa – da gehört das Volksbegehren dazu. Der dritte Bereich ist ein Wahlrecht mit personenbezogenen Elementen.

Noch einmal: Die FPÖ fordert ein Volksbegehrenmodell, die JVP entwickelt eines und nennt konkrete Zahlen. Ist das Zufall?

Was die FPÖ sich wünscht, ist mir sehr egal. Ich bin nicht derjenige, der mit Strache über die Schuldenbremse verhandelt. Dass sich gewisse Punkte decken und ich keine Angst habe, diese aufzunehmen, obwohl sie von der FPÖ getrommelt wurden, ist richtig. Was falsch ist, dass es im JVP-Konzept darum ginge, die FPÖ mit im Boot zu haben.

Aber können Sie Ihr Projekt von den ÖVP/FPÖ-Verhandlungen zur Schuldenbremse abkoppeln, in denen diese Forderung eine Rolle spielt?

Unser Paket wird im Mai fertig sein, da ist die Schuldenbremse hoffentlich längst erledigt.

Bis Ende Jänner, wenn die Schuldenbremsen-Verhandungen vorüber sein sollen, gibt es definitiv kein Modell?

Nicht von der JVP. Wenn Klubobmann Kopf, der mit Strache zur Schuldenbremse verhandelt, eine Einigung beim Volksbegehren findet, freue ich mich. Dann ist der Punkt erledigt. In meinem Papier wird es aber um viel mehr Themen gehen, manches wird nicht in allen Punkten der ÖVP-Linie entsprechen. Überhaupt werden einige in der Partei, vor allem ältere Semester, unseren Vorschlägen zu E-Voting und stärker personenbezogenem Wahlrecht kritisch gegenüberstehen.

Werden Sie sich bei der Unterschriftengrenze für das Volksbegehrenmodell in Richtung FPÖ bewegen? Ihr Vorschlag lautet: 640.000 Unterschriften, der der FPÖ: 250.000.

Wir debattieren das in der JVP. Insofern bin ich für die Richtung offen. Ich glaube aber nicht, dass es nach unten geht – und wenn doch, dann sicher nicht wegen der FPÖ.

Wie stehen Sie zu Schwarz-Blau?

Als Integrationsstaatssekretär kann ich sagen, dass ich in meinem Bereich viele Äußerungen der FPÖ als alles andere als hilfreich betrachte.

Sie haben früher oft betont, dass man sich alle Optionen offenhalten muss.

Die Entscheidung trifft man nach der Wahl. Mich widert das schon an, dass wir in Österreich ständig über Koalitionsvarianten diskutieren und dabei auf wirkliche Themen vergessen. Es gibt viel zu tun.

Apropos: Die Regierungsspitze verhandelt das Sparpaket. Es wird zu neuen Steuern kommen. Welche halten Sie im Hinblick auf Ihren neuen Generationen-Scan für vertretbar?

Ich glaube, dass sich viel ausgabenseitig lösen lässt. Wir habe viele Systeme, von denen wir wissen, dass sie so nicht finanzierbar sind, wie das Pensionssystem. Manche Wutbürger wie zuletzt etwa der Kabarettist Roland Düringer sprechen das auch direkt an.

Bürger, ob wütend oder nicht, würden über das Volksbegehrenmodell mehr Mitsprache erhalten. Aber wie soll das genau funktionieren? Kann nur über einen Gesetzesbeschluss des Parlaments abgestimmt werden, oder soll das Volk das Parlament zu einem Gesetz zwingen können?

Im Detail kann ich es noch nicht sagen. Es gibt mehrere Wege. Entweder der Nationalrat entwirft ein Gesetz, wie es das Volksbegehren will, und dann wird abgestimmt. Oder das Volksbegehren betrifft bestehende Gesetzesvorschläge, die nicht beschlossen wurden.

Das heißt, der Nationalrat könnte auch zu einem Gesetz gezwungen werden?

Beim zweiten Modell wäre das wohl möglich, wir müssen das alles anschauen.

Der Verfassungsgerichtshof hat das in einem Vorarlberger Fall als verfassungswidrig eingestuft.

Wir werden erst kreativ sein und dann schauen, was rechtlich möglich ist. Man kann eine Verfassung ja auch ändern.

Anderes Thema: Verwenden Sie das Wort „Ankerkinder“?

Ich habe mit noch niemandem über das Thema geredet.

Der Begriff wird offenbar vom Innenministerium für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge verwendet, bei denen man glaubt, dass sie vorgeschickt werden, damit nach der Asylgewährung im Rahmen der Familienzusammenführung ihre Angehörigen nachfolgen. Caritas-Wien-Direktor Landau hat kritisiert, dass die Angehörigen künftig nur einen befristeten Aufenthalt bekommen sollen, und die Bezeichnung „schäbig“ genannt. Können Sie seine Kritik verstehen?

Für das Thema Asyl ist die Innenministerin zuständig. Fakt ist, dass die Zahl der minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlinge zunimmt. Die Ministerin arbeitet mit NGOs und den Ländern an einer Lösung.

Auch wenn Sie sich nicht als zuständig sehen, so haben Sie die Tonalität der Ausländerdebatte verändert. Insofern: Verstehen Sie die Kritik?

Ich finde, wichtig ist in diesem Bereich das Ergebnis.

Zur Person

Sebastian Kurz ist seit 2011 Integrationsstaatssekretär. Als Chef der Jungen ÖVP wurde er von Parteiobmann Spindelegger mit der Ausarbeitung eines Demokratiepakets beauftragt, das sich auch mit der FPÖ-Forderung eines neuen Modells für das Volksbegehren beschäftigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2012)

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