Stupa: Als Buddha nach Gföhl kommen wollte

Stupa Buddha nach Gfoehl
Stupa Buddha nach Gfoehl(c) Teresa Zoetl
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In der niederösterreichischen Kleinstadt Gföhl will ein buddhistischer Mönch den größten Stupa Europas errichten - ein Vorhaben, das den Ort entzweit. Am Sonntag entscheiden die Gföhler in einer Volksbefragung.

Wenn es so etwas wie ein Klischee, ein Urbild eines buddhistischen Mönches gibt – man könnte Bop Jon Sunim glatt damit verwechseln. Der 60-jährige Südkoreaner, dem man sein Alter ob seiner entspannten Gesichtszüge, seiner gelassenen Körperhaltung nicht ansieht, verkörpert das, was man gemeinhin Besonnenheit nennt.

Er spricht langsam – und so leise, dass man es gerade noch hört. Er fällt seinem Gegenüber nie ins Wort, nimmt Widerspruch mit gelassenem Nicken zur Kenntnis und sagt weise Sätze wie „Die Menschen müssen erst einmal aufwachen“, „das Negative ablösen“ oder „manchmal ihre Batterien aufladen“. Kurz: Man kann sich kaum jemanden vorstellen, der mehr Ruhe ausstrahlt als der Mönch.


»Neutral ist niemand.« Und doch: Bop Jon Sunim ist ein Unruhestifter. Unbeabsichtigt freilich, aber dennoch: Eine Aufregung wie jene, die der Mönch in den vergangenen Wochen nach Gföhl gebracht hat, hat die 3700-Einwohner-Gemeinde bei Krems noch nicht erlebt. „Das Projekt hat den Ort gespalten“, sagt eine ältere Dame, die gerade aus dem örtlichen Supermarkt kommt – „man ist dafür oder dagegen, dazwischen gibt es nichts“.

„Das Projekt“, das hier für so viel Aufregung sorgt, dass die Gemeinde heute eine Volksbefragung darüber angesetzt hat, ist ein 36Meter hoher Stupa, der größte Europas – ein buddhistischer Sakralbau, bestehend aus drei konzentrischen Kreisen, in deren Innerem eine begehbare Kuppel steht, aus der ein Spitz aufragt. Dazu kommt ein kleines Kloster, in dem zwei Mönche leben, die Gläubige bei Meditation und Selbstfindung beraten sollen.

Sunim, der seit 30Jahren gleichsam als „Missionar“ – auch wenn er den Begriff wegen seiner von christlicher Gewalt geprägten Tradition ablehnt – durch Europa und die ganze Welt reist, um Stupas zu errichten, will so ein Gebäude in Gföhl errichten, an dem nicht nur Buddhisten, sondern jeder, der Interesse hat, „seine Batterien wieder aufladen kann“.

Ein Grundstück dafür hat die Lotos-Lindmayer-Privatstiftung, die den Mönch bei seinem Vorhaben unterstützt, schon aufgetrieben – und zwar direkt neben der Bundesstraße, die an Zwettl vorbeiführt, an der Hauptverkehrsader von Krems Richtung Zwettl: Wird der Stupa an diesem prominenten Ort errichtet, ist das Gebilde das Erste, was ein Autofahrer vom Waldviertel wahrnimmt.

„Der Ort hat Sunim von Anfang an gefallen“, sagt Elisabeth Lindmayr. Die Wienerin ist das weltliche Sprachrohr der Initiativen hinter dem Stupa-Bau, hinter dem „Weltfriedensdenkmal in Gföhl“, wie sie selbst es bezeichnet. Vor hunderten Jahren sei hier, einen knappen Kilometer außerhalb des Ortes, der Galgen von Gföhl gestanden. Gerade deswegen sei der Hügel aber ein guter Ort für einen Stupa – er könnte „negative Energien“ in „positive Kraft“ umdeuten.

Und negative Energien gibt es rund um das Projekt ziemlich viele. Denn seit der Stupa-Plan im vergangenen Sommer publik geworden ist, ist in der Gemeinde kein Stein auf dem anderen geblieben. Denn etlichen Gföhlern behagte einiges rund um das Projekt überhaupt nicht: Vor allem die Bürgerliste „Wir für Gföhl“ will sich so gar nicht mit dem „für unsere Kultur fremden Bauwerk“ anfreunden, schreibt deren Obmann Johannes Pernerstorfer: „Es wäre ein Wahrzeichen, das weder unserem Kulturkreis entspricht noch unsere Gesellschaft vertritt.“


Hohe Welle. Der Widerstand gegen das Projekt schlug Wellen – nach kurzer Zeit sah sich auch Niederösterreichs FPÖ genötigt, zur Verteidigung des Abendlandes auszurücken: „Unsere schöne Kulturlandschaft darf durch derartige Bauten nicht zerstört werden. Gföhl und das Waldviertel brauchen eine buddhistische Stupa (sic!) so notwendig wie Rom einen Kebabstand auf dem Petersplatz!“, dröhnte Niederösterreichs FP-Klubobmann Gottfried Waldhäusl in einer Pressekonferenz.

Da wollte auch der BZÖ-Europaabgeordnete Ewald Stadler in nichts nachstehen: Er erklärte in einer Diskussion: „Das ist ein Götzentempel, so etwas kann ich als Katholik nicht gutheißen, das brauchen wir im Waldviertel nicht.“

Damit reagiert Stadler freilich schärfer als die Kirche selbst: Der Abt des nahen Stiftes Altenburg etwa begrüßt den Bau ausdrücklich. Dagegen ist aber – mangels Transparenz – der St. Pöltner Bischof Klaus Küng: „Wenn ich gefragt worden wäre, ich hätte den Bau eines Stupas in Gföhl sicher nicht befürwortet“, schreibt Küng in der Diözesanzeitung „Kirche bunt“.

Mit der Transparenz spricht Küng freilich ein heikles Thema an: Denn fragt man die Vertreter des Baus, wieso sie den Stupa gerade in Gföhl errichten wollen, kommen vor allem kryptische Verweise auf „gute Beziehungen“ in den Ort. Auch, wer als Bauwerber auftreten wird – der Mönch, die Stiftung oder jemand anderer – will man aus Angst vor Stadler, der angekündigt hat, rechtlich gegen den Bau vorzugehen, nicht sagen. Und die Finanzierung des Bauprojekts ist noch offen: Sie soll durch „Spenden aus aller Welt“ erfolgen – obwohl der Buddhismus nicht zentral organisiert sei, würden Menschen in aller Welt für die Errichtung von Stupas spenden, zeigt sich Lindmayer überzeugt.

Gföhls Bürgermeister Karl Simlinger – er sieht in dem Projekt eine Chance für die Bekanntheit der Kleinstadt und den Tourismus –, der den Stupa von Anfang an befürwortet hat, entschied sich angesichts des Widerstands dafür, eine Volksbefragung anzusetzen. Kein Anspruch auf Umwidmung. Denn das Grundstück, auf dem der Stupa entstehen soll, ist derzeit Grünland – um dort den Bau eines Sakralbaus möglich zu machen, müsste der Gemeinderat eine Umwidmung beschließen: eine politische Entscheidung, auf die es keinen Rechtsanspruch gibt.

Darum sind die Gföhler heute – zum ersten Mal in der Geschichte der Gemeinde – aufgefordert, ihre Meinung zu der Umwidmung kundzutun. Rein rechtlich ist es unwahrscheinlich, dass der Bau daran scheitert – denn verbindlich ist die Befragung nur, wenn mindestens die Hälfte der Stimmberechtigten daran teilnimmt.

Das ist unwahrscheinlich, stellt die Vertreter des Projekts aber vor ein Dilemma: „Sagen wir unseren Freunden, dass sie mit Ja stimmen sollen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis bindend wird“, analysiert Sonja Jachan, eine Unterstützerin des Stupa-Baus. Rate man aber, der Abstimmung fernzubleiben, damit möglichst wenig Menschen teilnehmen und die 50-Prozent-Hürde nicht erreicht wird, droht ein klares – aber eben nicht verbindliches – Votum gegen den Bau. Und das könnte die ohnehin angespannte Stimmung im Gemeinderat – die VP-FP-Koalition ist an dem Thema zerbrochen – kippen lassen.

Wie Bop Jon Sunim mit der Möglichkeit des Scheiterns umgeht? Gelassen, natürlich: „Wenn es in Gföhl nichts werden sollte“, sagt der Mönch, „dann bauen wir eben woanders.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2012)

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