Das schmerzhafte Engerschnallen des Gürtels

Für Einsparungen werden oft Metaphern verwendet: aus den Bereichen der Fastenkuren und der Chirurgie. Nun auch in Kombination.

Die Griechen müssten „den Gürtel noch einmal schmerzhaft enger schnallen“, kommentierte die „Welt“ neulich. Das ist ein beachtlicher Sprung (um nicht zu sagen: ein Quantensprung) in der Metaphorik des Sparens: Hier verschmelzen zwei seit Langem existente Bilder für – vor allem staatliche – Einsparungen, das des Abmagerns und das des Zufügens von Schmerzen, zu einem. Wer es sich vorzustellen versucht, erinnert sich vielleicht an eigene Diäten, bei denen er den Gürtel trotzig um ein Loch enger schnallte, obwohl der Bauch noch gar nicht entsprechend geschrumpft war. Oder ihm fällt das Wort „Bußgürtel“ ein – das aber gar nicht passt: Denn diesen trägt man nicht um die Leibesmitte, sondern um einen Oberschenkel, und nicht, um eine Abmagerungskur zu fördern.

Die Vergleiche des Sparens mit dem Abmagern hatten vor circa acht Jahren eine Blütezeit, damals warb gerade ein Mobilfunkbetreiber mit dem Spruch „Weg mit dem Speck“, das Sujet wird seither oft variiert, derzeit verwendet z.B. ein Wiener Fitnesszentrum – in deutlicher Anspielung auf Wirtschaftskrisenrhetorik – den alttestamentarisch grundierten Slogan „Die fetten Jahre sind vorbei“. In wirtschaftspolitischen Kommentaren wird dem Staat, der ja „schlank“ werden soll, gern eine Diät verordnet: Er soll „abspecken“, „gesundschrumpfen“.

Die schmerzensreichen Metaphern sind oft mit Bildern aus der Chirurgie verbunden: Von „notwendigen tiefen Einschnitten“ ins wuchernde Fleisch des Sozialstaats ist die Rede, bei denen die Bevölkerung „bluten“ müsse. Solche Vergleiche hatten ihre erste Konjunktur wohl nicht zufällig Mitte der Nullerjahre, als in Reality-Soaps wie „Nip/Tuck“ die boomende Schönheitschirurgie erstmals nicht mehr nur behandelt, sondern auch gezeigt wurde: blutige Schnitte im Dienste der Schönheit im Fernsehen.

Weniger drastisch ist die – auch im besagten „Welt“-Kommentar vorkommende – Rede von der „bitteren Medizin“, die Freunde alter Filme an den Prof. Crey in der „Feuerzangenbowle“ erinnert: „Met der Schole est es wie met einer Medizin – sä moss bätter schmecken, sonst nötzt sä nächts.“ Von der stehenden Wortverbindung „bittere Kälte“ wissen wir, dass diese Sinneswahrnehmungen synästhetisch assoziiert sind: Das schlägt die Verbindung zu Kälte- und Kühlemetaphern wie dem „frischen Wind“, der in die „Faulbetten“, in die „wohlige Wärme“ des Wohlfahrtsstaates blasen möge.

Es war übrigens ein Arzt, genauer: ein Präsident der Ärztekammer, der einst in einer Abwehr geplanter Einsparungen die fleischliche Metaphorik zuspitzte: „Wir wehren uns nicht gegen eine Zusammenarbeit“, sagte er, „aber abschlachten lassen wir uns nicht.“

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2012)

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