Alois Stöger: Kein Geld für Länder, die zu viel ausgeben

Alois Stoeger Kein Geld
Alois Stoeger Kein Geld(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Gesundheitsminister Stöger wird die Finanzierung der Spitäler nicht den Landeshauptleuten überlassen. Die Kaiserschnittrate in Österreich ist ihm zu hoch. Ein Gespräch mit der "Presse am Sonntag".

Wenn man sich die bisherigen Ergebnisse der Gesundheitsreform-Debatte ansieht, kommt man zum Schluss: Die Länder haben sich durchgesetzt.

Alois Stöger: Im Gegenteil. Es gibt eine grundsätzliche Einigung auf ein Zielsteuerungsmodell, in dem man mit Sozialversicherung und Ländern auf Augenhöhe die Planung und Finanzierung festlegt. Das ist ein völliger neuer Ansatz, wie man Verwaltung steuert.

Die Landeshauptleute haben gefordert, dass der Spitalsbereich und der niedergelassene Bereich gemeinsam auf Landesebene geplant werden – genauso geschieht es jetzt.

Das habe auch ich gefordert.

Nein. Sie haben immer mehr Mitspracherecht gefordert.

Manche, wie der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer, wollten einen gemeinsamen Finanzierungstopf auf Landesebene. Der kommt so nicht.

Ist es realistisch, dass die Reform noch heuer in den Eckpunkten fertig wird, wie Pühringer angekündigt hat?

Wenn er mitmacht, und hier bin ich zuversichtlich, ist es realistisch.

Im neuen Modell wird es eine Kommission mit Vertretern der Länder und der Sozialversicherung geben. Wen wird der Bund schicken?

Ob der Bund jemanden schickt, ist offen.

Welche Rolle spielen dann Sie in dem neuen Modell?

Die Gesetzgebung soll auf Bundesebene stattfinden, insbesondere bei den Spitälern. Wir werden die Kriterien für die Planung der Versorgung, für die Qualität und die Finanzen festlegen – auch das Angebot der Spitäler. Auf Landesebene wird dann konkretisiert, also: Auf welchem Standort mache ich welches Krankenhaus, und welche medizinischen Leistungen biete ich dort an?

Was passiert, wenn sich ein Land nicht an die Vorgaben hält?

Es gibt Ausgabenobergrenzen für jedes Land und jeden Sektor. Wenn ein Land diese Grenze überschreitet, bekommt es kein Geld. Es muss dann aus dem eigenen Budget zahlen.

Es wurde ausgemacht, dass die Länder den Sanktionen zustimmen müssen. Haben sie das in diesem Fall?

Im Prinzip ist das akzeptiert.

Wie sieht es aus, wenn die Vorgaben bei der Qualität und bei der Versorgung nicht erreicht werden. Was ist hier die Sanktion?

Bei Qualitätsproblemen bedeutet das, dass sie transparent werden. Es wird sichtbar gemacht, dass in diesem Krankenhaus bei dieser Operationsart die Qualität nicht eingehalten wird. Das wirkt schnell, weil sich die Patienten dann nicht mehr dort behandeln lassen.

Wie und wo sehe ich als Patient, dass die Qualität im Krankenhaus nicht stimmt?

Derzeit können Sie sich anschauen, welche Leistungen in welchem Spital wie oft erbracht werden. Der nächste Schritt wird sein, zu bewerten, wie gut sie erbracht werden. Da braucht es aber gute Parameter. Es kann ja sein, dass eine Teilleistung im Spital exzellent erbracht wird, aber weil der gesamte Behandlungsprozess nicht funktioniert, wird diese Leistung entwertet.

Können Sie uns ein Beispiel geben?

Wir sind toll im Legen von Stents nach einem Herzinfarkt, aber die Frage, ob die Reha richtig angesetzt und die Familie richtig eingebunden ist, ist eine andere.

Muss man im Zuge der Gesundheitsreform davon ausgehen, dass Spitäler geschlossen werden?

Das glaube ich nicht. In einigen Abteilungen wird sich jedoch das Leistungsangebot ändern müssen.

Ein Grundproblem ist, dass es in Österreich zu viele Einweisungen ins Spital gibt. Wie wollen Sie das ändern?

Erstens, indem man sichtbar macht, welcher Arzt wie oft einweist und welche Folgekosten er auslöst. Zweitens: Betten, die da sind, werden genutzt – und wir haben zu viele. Bisher musste jedes Krankenhaus 30 Chirurgie-Betten bereithalten, das habe ich durch eine Gesetzesnovelle geändert.

Wie oft welcher Arzt einweist, wissen die Krankenkassen. Wäre es nicht vernünftig, den Kassen einen Anreiz zu geben, das bei den Ärzten genauer zu kontrollieren. Etwa indem die Kassen den Spitälern weniger zahlen müssen, wenn es weniger Einweisungen gibt?

Ich bin da vorsichtig, es geht um mehr als einen Finanzstrom. Aber es ist sicher falsch, wenn einer wegen eines grauen Stars vier Tage im Spital liegt, nur weil es dem Leiter der Abrechnung im Spital lieber ist, obwohl man das auch in einer Tagesklinik erledigen könnte. Diese Logik offenzulegen und das Hin- und Herschieben zu beenden, ist das Ziel. Generell muss man genauer hinschauen, wie Behandlungen gesteuert werden. Wir wissen, dass die Kaiserschnittrate manchmal davon abhängt, welcher Arzt Dienst hat.

Das Thema beschäftigt Sie offenbar. Glauben Sie, dass Frauen ein Kaiserschnitt eingeredet wird?

Das glaube ich ganz sicher.

Warum?

Ein Grund ist sicher, dass der Arzt beim Kaiserschnitt selbst die Entscheidung treffen kann, wann das Kind zur Welt kommt. Nicht Sonntag um 23 Uhr, sondern Freitag um zehn Uhr. Und wenn der Doktor, die Autorität im weißen Kittel, sagt, wir machen das so, hat die Frau keine reale Chance, Nein zu sagen.

Was wollen Sie denn machen? Die Geburtsart vorschreiben?

Fakt ist: Wir haben eine viel zu hohe Kaiserschnittrate, die zuletzt auch stark angestiegen ist. Ich bin für eine bessere Aufklärung: Man muss die Öffentlichkeit über die Risken informieren und transparent machen, in welchem Krankenhaus es wann und warum Kaiserschnitte gibt.

Seit Dezember 2008
ist Alois Stöger Gesundheitsminister. Davor war er Obmann der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse und Kulturstadtrat in Gallneukirchen (OÖ). Stöger lernte Werkzeugmacher bei der Voest und kam über die Metallergewerkschaft in die Politik. In Straßburg absolvierte er das Fernstudium der „Sozialen Praxis“. Seither führt er den Titel Diplômé. Der 51-Jährige ist verheiratet und Vater einer Tochter.
Clemens Fabry

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2012)

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