Italiens alte Socken

Berlusconis "Freispruch" ist nicht nur für ihn, sondern auch für die Justiz eine Last.

Zehn Tage. Das ist für ein mehrjähriges Gerichtsverfahren keine Zeit. Dennoch sind es letztlich zehn Tage gewesen, die den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi vor einer möglichen Haftstrafe bewahrt haben. Denn so viele Tage vor dem Urteil war das Delikt verjährt. Ein Armutszeugnis für die Justiz des Landes.

Wer hatte in den vergangenen Jahren nicht Sympathien für Italiens Staatsanwälte und Richter empfunden, die von der Regierung unter Berlusconi gedemütigt wurden? Wer hatte keine böse Vorahnung, als diese Regierung die Verjährungsfrist verkürzte, die Immunität von Politikern zu verlängern versuchte? Nun aber wird kaum jemand glauben, dass es Zufall war, dass sich ein Urteil gegen den mächtigen Politiker und Medienunternehmer so knapp nicht ausging.

Die Vorgänge in Italiens Justiz stinken ebenso wie Berlusconis Geschäftspraktiken zum Himmel. Schon in den Jahren 1997 und 1998 war Berlusconi in zwei Verfahren wegen Korruption und illegaler Parteienfinanzierung verurteilt worden. Das eine endete in höherer Instanz mit Freispruch, das andere war vor der endgültigen Urteilsverkündung verjährt. Durch ihre Trägheit läuft Italiens Justiz Gefahr, mehr zur Verschleierung von Berlusconis Machenschaften als zu deren Aufklärung beizutragen. Wenn dabei noch immer ein zweifelhaftes Bild des früheren Regierungschefs erhalten bleibt, so wird zunehmend auch das Bild von Richtern und Staatsanwälten getrübt: 2600 Gerichtssitzungen hat es laut Berlusconis eigener Aufzählung bereits gegen ihn gegeben. Zu viele, und zu wenig Ergebnis.

wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2012)

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