Die Ignoranz der Kirche

Ab sofort dürfen auch Ausgetretene kirchlich begraben werden.

Meine Güte, den richtigen „Heuler“, wie abgebrühte Kollegen sagen würden, gab es ja nicht unbedingt bei der Pressekonferenz Kardinal Christoph Schönborns. Eine Ermahnung für den „Aufruf zum Ungehorsam“ einiger Pfarrer, ein Bekenntnis zu Bildung im umfassenden Sinn und zu einer Aufstockung der Entwicklungszusammenarbeit – mehr war nicht. Dabei haben die Bischöfe damals, vor mehr als drei Monaten, auch einen Beschluss gefasst, der für kirchliche Verhältnisse sensationell ist. Man ist ja bescheiden. Dieser wurde erst jetzt über die Katholische Presseagentur öffentlich gemacht: Ausgetretene dürfen ab sofort in Österreich auch kirchlich begraben werden. Wenn es die Angehörigen wünschen und der Tote sich Derartiges nicht vorher verbeten hat.

In der entsprechenden Richtlinie wird ausdrücklich der Auftrag der Barmherzigkeit angesprochen. Schön, dass die Bischöfe nachvollziehen und absegnen, was bereits üblich war. Dass verschämt(?), mit monatelanger Verzögerung eine derartige Maßnahme publiziert wird, die manche aufatmen und auf Barmherzigkeit auch gegenüber Geschiedenen hoffen lässt, muss Zweifel an der medialen Kompetenz der Verantwortungsträger nähren. Fatal zu sehen, wie extrem schwer sich ausgerechnet die katholische Kirche mit dem Bekanntmachen der „guten Nachricht“ tut – das Griechische kennt ja bekanntlich dafür den Begriff Evangelium.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.02.2012)

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