Wie PR eine „Bombe im Taschenbuchformat“ kreierte

(c) AP (Ferdinand Ostrop)
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Hinter der Veröffentlichung der „Grenzen des Wachstums“ steckte eine riesige PR-Maschine: Die Zuspitzungen in der Medienarbeit beeinflussten die Reaktionen stark.

Dennis Meadows und der „Club of Rome“ konnten es kaum erwarten, mit den Ergebnissen der Computersimulationen zur Zukunft der Welt an die Öffentlichkeit zu gehen. Schon Mitte 1971 begannen sie, die großflächige Vermarktung der „Grenzen des Wachstums“ zu planen. Gemeinsam mit der Consulting-Firma Potomac Associates und PR-Agenturen wurde an Formulierungen gefeilt und bereits an Übersetzungen in andere Sprachen getüftelt. Durch gezielte „Leaks“ und Vorab-Presseaussendungen wurden große Erwartungen geschürt. Zur Präsentation am Smithsonian Institute in Washington am 2.März 1972 waren 250 Experten und ausgewählte Medien geladen.

Diese gigantische Wissenschafts-PR-Maschine – wohl die größte seit dem Apollo-Programm der Nasa – hatte durchschlagenden Erfolg: Weltweit wurde groß über die „Grenzen des Wachstums“ berichtet. Die meisten medialen Reaktionen fielen allerdings negativ aus: Die „New York Times“ bezeichnete das Buch als „hohl und irreführend“, in „Newsweek“ war von „unverantwortlichem Unsinn“ die Rede, „Der Spiegel“ titelte mit „Weltuntergangs-Vision aus dem Computer“, und „Die Zeit“ sprach von einer „Bombe im Taschenbuchformat“.

Die negativen Schlagzeilen hatten ihren Grund nicht nur darin, dass die Sache an sich kontrovers war und die Studie methodische Schwächen hatte, sondern auch an der massiven PR-Arbeit: Wie Walter E. Hecox, Ökonom aus Colorado, vier Jahre später analysierte, basierten die ersten – meinungsbildenden – Reaktionen in den seltensten Fällen auf der Studie selbst, sondern auf den Vorab-Pressematerialien. Dort ist auch die Wurzel für ein großes Missverständnis zu finden: Ein Szenario – also die mögliche Entwicklung unter bestimmten Annahmen in einer Modellrechnung – ist keine Prognose, wie die Zukunft tatsächlich verlaufen wird.

An der Verwischung dieser Unterscheidung waren die Forscher freilich nicht unbeteiligt: Die nach möglichst hoher Publicity schielenden Formulierungen waren oft marktschreierisch und von der Wissenschaft dahinter nicht wirklich gedeckt. Derselben Versuchung können auch heute viele Forscher nicht widerstehen – man denke nur an die apokalyptischen Übertreibungen in der aktuellen Klimawandel-Debatte. ku

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2012)

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