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Addio Lucio Dalla: Italien nimmt Abschied

(c) EPA (MICHELE LIMINA)
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Der Liedermacher Dalla prägte jahrzehntelang die italienische Musikszene. Er starb während einer Tournee in der Schweiz, kurz vor seinem 69. Geburtstag. In Wien hätte er am 19. März auftreten sollen.

„Lieber Freund, ich schreibe dir, so lenke ich mich ein bisschen ab. Und da du so weit weg bist, werde ich dir umso heftiger schreiben.“ Es sind die ersten zwei Zeilen eines der berühmtesten Lieder vom italienischen Sänger Lucio Dalla. Er hätte sie wohl auch bei seinem Konzert am 19.März im Wiener Konzerthaus gesungen. Am Donnerstag widmeten allerdings hunderte Fans und Freunde dem Liedermacher Dalla ein paar Zeilen – als die Nachricht seines unerwarteten Todes verbreitet wurde.

„Es ist ein sehr trauriger Moment, und ich möchte mit niemandem darüber sprechen“, lässt Dallas langjähriger Musikerkollege Francesco De Gregori durch seine Sprecher ausrichten. Auch der italienische Staatspräsident, Giorgio Napolitano, nimmt Abschied von Dalla: „Er war ein Liedermacher mit einer starken und außergewöhnlichen Stimme, der dazu beigetragen hat, die italienischen Lieder auf der ganzen Welt bekannt zu machen.“ Nicoletta Mantovani, Witwe des Startenors Luciano Pavarotti, der öfters mit Dalla im Rahmen der Veranstaltung „Pavarotti & Friends“ aufgetreten war, ist „sprachlos“: „Lucio war ein großer Freund Lucianos, ein großartiger Künstler und ein sehr sensibler Mensch. In den schwierigen Momenten nach Lucianos Tod hat er mich sehr unterstützt“, sagt Mantovani.

Vier Jahrzehnte lang hatte Dalla die italienische Musikszene geprägt. Er war bekannt für seine poetischen, kritischen Texte. Im Hintergrund schwebt immer ein bisschen Wehmut mit, wie sie die italienischen „Cantautori“, die Liedermacher, immer mit sich tragen – mit ein paar Ausflügen in die leichte Welt der Popmusik.

Dalla war in den letzten Wochen mit einer internationalen Tour beschäftigt, die am 30.März in Berlin zu Ende gegangen wäre. Er stellte seine CD „Questo è amore“ vor. Sein letztes Konzert fand Mittwochabend in Montreux in der Schweiz statt – ohne Anzeichen von Müdigkeit. Ihm sei es gut gegangen, berichtet seine Assistentin Michela Mondella, er habe sich über den gelungenen Auftritt gefreut. Donnerstagfrüh habe er gefrühstückt und noch ein paar Telefonate erledigt. Dann habe er einen Herzinfarkt erlitten. Plötzlich, ohne Vorankündigung. Kurz vor seinem 69.Geburtstag am vierten März.

Vom Jazzmusiker zum Liedermacher

Dallas Karriere begann in seiner Heimatstadt Bologna in den 1960er-Jahren als Klarinettist in einer Jazzband. Seine eigentliche Leidenschaft galt aber dem Gesang und Komponieren. So wurde er zum „Cantautore“. Den ersten großen Erfolg feiert er 1970 mit dem Lied „Occhi di ragazza“. Es folgen mehrere Auftritte bei „Sanremo“, dem wahrscheinlich berühmtesten Musikwettbewerb Italiens. Sein wohl größter Hit soll aber „Caruso“ werden, eine Hommage an den Opernsänger Enrico Caruso. Startenor Pavarotti war einer der Dutzenden Künstler, die diesen Song covern. Über Italiens Grenzen hinaus wurde Dalla unter anderem durch die Bearbeitung der Oper „Tosca“ von Puccini bekannt. 2003 wurde sie in Rom uraufgeführt, die Kostüme entwarf Stardesigner Giorgio Armani.

Seinen letzten öffentlichen Auftritt in Italien hatte Dalla bei „Sanremo“ – allerdings nicht als Sänger. Er dirigierte das Orchester während des Liedes „Nanì“, das er zwar geschrieben hatte, das aber von einem italienischen Nachwuchssänger interpretiert wurde. Am Podest stehend, leicht grinsend, nahm er so ganz unbewusst Abschied von einer Nation, die ihn jetzt als ein Stück Musikgeschichte preist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2012)

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