Teilzeit: Der lange Weg vom Abstellgleis

Führungskräfte. Noch gilt alles außer Vollzeit als Karrierebremse. Tatsächlich lassen sich auch Führungsaufgaben unter 40 Stunden erledigen: mit guter Organisation und dem richtigen Verständnis von Management.

„Teilzeit darf keine Dauerlösung werden“, erklärte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek zum diesjährigen Weltfrauentag am Donnerstag. Damit traf sie wohl einen Nerv bei vielen weiblichen Berufstätigen. Denn gerade Mütter oder pflegende Angehörige verzichten oft unfreiwillig – etwa aufgrund fehlender Betreuungsmöglichkeiten – auf volles Gehalt und höhere Pensionsansprüche. Und für die Karriere gelten Teilzeitanstellungen bestenfalls als Knick, den man nach ein, zwei Jahren überwunden haben sollte, um nicht dauerhaft als Kraft mit halbem Einsatz oder drei Vierteln Talent zu gelten.

Ursula Müller sieht das etwas anders. Sie ist beim Pharmariesen Pfizer in Österreich in einer Position mit Marketing- und Sales-Verantwortung für mehrere medizinische Spezialbereiche. Ihr sechsköpfiges Mitarbeiterteam leitet sie in 31 Wochenstunden. Und das in dieser Konstellation bereits seit mehr als sechs Jahren. „Die Anforderungen an eine Führungskraft sind auch in Teilzeit keine anderen. Was man reduzieren kann, ist die Größe der Aufgabe“, sagt Müller, die ursprünglich nach der Geburt ihres Sohnes und einem Jahr Karenz auf 50-Prozent-Basis ins Unternehmen zurückgekehrt ist. Damals hatte sie ein bis zwei Mitarbeiter unter sich. Im Laufe der Zeit fuhr sie ihr Engagement sukzessive auf die von ihr aktuell gewünschten 80 Prozent hoch.

Besonders häufig finden sich solche Modelle noch nicht. Große heimische Unternehmen und Niederlassungen internationaler Konzerne leisten Pionierarbeit. Internationale Schlagzeilen machte vor einigen Jahren die Allianz. Damals installierte der Versicherungskonzern für ein Schweizer Tochterunternehmen im Rahmen einer Nachfolge-Regelung einen Teilzeit-CEO. In der Breite der Unternehmen gilt dagegen: Karriere machen bedeutet Führungskraft zu sein, und Führungskraft zu sein ist unvereinbar mit Teilzeit.

„Vor allem hat das damit zu tun, dass wir nach wie vor eine traditionelle Anwesenheitskultur leben, die besonders von den starken Unternehmerfiguren in Klein- und Mittelbetrieben gelebt und eingefordert wird“, sagt Christian Schlottfeldt von der deutschen Arbeitszeitberatung Dr. Hoff Weidinger Herrmann, die sich schon seit den 1980ern mit innovativen Arbeitszeitmodellen auseinandersetzt.

Viel Luft nach oben

Häufiger als Teilzeitführung kommt seiner Meinung nach eine Kombination aus leicht reduzierter Arbeitszeit und mobilem Arbeiten vor, also beispielsweise Anwesenheit am Vormittag und Home Office am frühen Abend, um mangelhafte Kinderbetreuungsmöglichkeiten am Nachmittag auszugleichen.

In den Augen des Arbeitszeitexperten wäre aber durchaus mehr möglich:  „Es ist nicht gottgegeben, dass eine Führungskraft mehr arbeiten muss als die Mitarbeiter. Aber viele werden eben Führungskräfte, weil sie immer am längsten gearbeitet haben. Was die reine Führungsarbeit betrifft, sind gute Erreichbarkeit und schnelle Reaktionszeiten viel wichtiger als lange Arbeitszeiten“, sagt Schlottfeldt.

Das bedeutet aber, dass es eine klare Trennung zwischen Fach- und Führungsarbeit geben muss. Wer nicht in einer unklar umrissenen Sandwich-Position steckt, kann Teilzeit, bis zu einer gewissen Ebene, umsetzen: „Das private Umfeld muss aber sehr gut organisiert sein“, sagt Pfizer-Führungskraft Müller. Anderen Müttern empfiehlt sie doppelte oder dreifache „Notfallpläne“ für die Kinderbetreuung. Denn im Fall der Fälle kurzfristig zur Stelle zu sein gehört auch abseits der vollen Arbeitszeit zu den Aufgaben einer guten Führungskraft. „Aufseiten des Unternehmens muss ebenfalls eine gute Organisation vorhanden und das Aufgabenfeld klar umrissen sein. Außerdem muss das Team stimmen.“ Müller setzt in ihrer Mannschaft mehrheitlich auf erfahrene Kräfte, die keine dauerhafte Begleitung durch eine Führungskraft  brauchen.

Hohe Anforderungen, wenn man bedenkt, wie viele Vollzeit-Führungskräfte mit ihrer konventionellen Arbeitszeiten restlos überfordert sind. Dementsprechend sieht die langjährige Teilzeitmanagerin auch klare Grenzen für das Modell. Direkte Ansprechperson für 50 Mitarbeiter zu sein wäre in der gegebenen Zeit unmöglich. „Und genauso wie bei einem Vollzeit-Führungsjob heißt eine Führungsaufgabe in ,part time‘ nicht, dass ich nach den abgearbeiteten Stunden den Bleistift fallen lasse und erst am nächsten Tag wieder erreichbar bin.“ Stattdessen müssen auch Teilzeit-Führungskräfte in Stoßzeiten die ein oder andere Stunde über das festgelegte Engagement hinaus leisten.

„So ist es aber eine sehr gute Möglichkeit, den totalen Karriereknick zu vermeiden. Man nimmt die Aufgaben etwas zurück, behält aber durchgehend Führungsaufgaben. Damit bleibt auch das Standing im Unternehmen gewahrt“, sagt Müller.

Kein reines Frauenthema

Manuela Vollmann findet solche Beispiele lobenswert. „Wichtig ist aber, dass wir das nicht als reines Frauenthema behandeln“, sagt die Geschäftsführerin von azb Austria, einem Non-Profit-Unternehmen zur Förderung von Frauen in der Wirtschaft. „Teilzeit ist nämlich zur Falle geworden, weil immer alle gesagt haben, es ist gut für die Frauen.“ Die Falle in Zahlen: Laut Statistik Austria gehen 43,8 Prozent der erwerbstätigen Frauen einer Teilzeitbeschäftigung nach. Bei den Männern sind es lediglich neun Prozent. Und während unter Frauen der Anteil der Teilzeitarbeit nach der Schwangerschaft rapide in die Höhe geht, arbeiten Väter tendenziell sogar mehr als kinderlose Männer.

In Wahrheit, so Vollmann, sei es genauso im Sinne der Männer, flexiblere Arbeitszeitmodelle einzuführen – um Zeit für Weiterbildung, für die Pflege Angehöriger oder eben für die Kinder aufwenden zu können. Kommen solche Wünsche von hoch qualifizierten Kräften, bekommen sie mehr und mehr Gewicht: „Jedes Unternehmen ist gut beraten, sich diesen neuen Anforderungen der Arbeitnehmer möglichst früh zu stellen“, sagt Vollmann. Teilzeitführung sei also einerseits eine gute Maßnahme, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu profilieren. Andererseits würde es die sonstige Teilzeitarbeit im Haus aufwerten: „Schließlich sind Führungskräfte immer Vorbilder. Wenn ich will, dass Teilzeit im Unternehmen einen Wert hat, muss ich es selbst vorleben“, sagt Vollmann.

Sie selbst führt die 90 Mitarbeiter des abz übrigens im „Top-Jobsharing“ mit ihrer Kogeschäftsführerin Karin Mader-Reichl. Beide Seiten haben schon in verschiedenen Varianten Teilzeit gearbeitet – und bieten mit ihrem Tandemmodell ein Beispiel, wie Führung auch in vergleichsweise großen Organisationen auf Teilzeitbasis funktionieren kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2012)

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