Slowakei: Robert Ficos triumphale Rückkehr

Robert Ficos triumphale Rueckkehr
Robert Ficos triumphale Rueckkehr(c) EPA (FILIP SINGER)
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Bei der Parlamentswahl in der Slowakei stand im Vorfeld schon der Sieg des linken Expremiers Robert Fico fest. Ein Porträt des Mannes vom Land, der als humorlos gilt und dennoch zum führenden Politstar des Landes wurde.

Ein Heimspiel, wie es Robert Fico liebt: Im Fußballdress bei einem Freundschaftsmatch zu wohltätigen Zwecken dribbelt er den Ball an seinen Gegnern vorbei und aufs Tor zu. Meist schießt er zumindest ein Tor als Krönung und erntet dafür den Jubel des Publikums.

Die Zuschauer applaudieren „ihrem“ Robert aber schon, wenn er aufs Feld läuft. Und wenn er auch nur den Ball berührt. Denn meist ist seine Geburtsstadt Topolcany oder ein Nachbarort Schauplatz solcher Auftritte. Da sind die Einheimischen stolz auf den berühmten „rodak“ (etwa: „der hier Geborene“) aus der sonst auch in der Slowakei wenig bekannten ländlichen Region nördlich von Nitra.

Der eiserne Einzelkämpfer. Bei keiner anderen Gelegenheit kann sich Fico so glänzend nicht nur als Kämpfer, sondern auch als Teamplayer inszenieren, als der er gelten will. Denn in der Politik nimmt man ihm diese Rolle kaum ab. Schon sein Aufstieg zum populärsten Politiker des Landes ist ihm im Stil eines Einzelkämpfers gelungen, der seinen Kopf eisern durchsetzt. Als Jungstar der Partei der Demokratischen Linken (SDL), die nach der Wende aus dem Reformflügel der KP hervorging, sparte der Jurist nicht mit Kritik an seiner Partei. Indem diese 1998–2002 in der ersten Regierung des christlich-liberalen Premiers Mikuláš Dzurinda dessen unternehmerfreundliche Reformen unterstützte, habe sie die Interessen ihrer Wähler verraten. So polterte er immer lauter und verwies auf Massenarbeitslosigkeit und Reallohnverluste durch die Sparpolitik. Die über 20Prozent Arbeitslosen und ums Überleben ringenden Pensionisten neigten eher dem rechtspopulistischen Staatsgründer Vladimír Mečiar zu, wurden aber bald auf den jungen Linksrebellen aufmerksam, der betonte, aus welch einfachen Verhältnissen er sei. Sein Vater sei Arbeiter und Staplerfahrer in einem Industriebetrieb gewesen. „Mama hat viele Jahre für einen kärglichen Lohn als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft gearbeitet“, erzählt er bis heute gern mit ungewohnt sanftem Ton.

Dass Fico in den 90ern neben seiner Parlamentstätigkeit auch als Verfassungsjurist die Slowakei beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vertrat, konnte er als Nachweis seiner Fachkompetenz nutzen. So gelang ihm fast im Alleingang, das in mehrere Parteien zerfallende Linksspektrum der slowakischen Politik neu zu ordnen. Als er 1999 die SDL verließ und die Partei „Smer“ (Richtung) gründete, die er an Tony Blair und Gerhard Schröder orientierte, war sie eine Einmannfraktion im Parlament. Die SDL war zweitstärkste Regierungspartei. Doch bei der Wahl 2002 triumphierte er über seine Mutterpartei: Die fiel ebenso aus dem Parlament wie die anderen Linksparteien. Fico fuhr die Ernte ein und sammelte alle linken Stimmen ein.

Später schluckte er die Linksparteien selbst: Nacheinander lösten sich mit Ausnahme der kleinen Altkommunisten alle auf und empfahlen ihren Leuten Ficos Partei. Aus Ehrfurcht vor Alexander Dubček, dem Führer des „Prager Frühlings“ 1968, nannte Fico seine Partei in „Smer-Sozialdemokratie“ um, nachdem er auch die noch von Dubček gegründete sozialdemokratische Kleinpartei in seine Smer integriert hatte.

Folgenreiche Koalition mit Rabauken. Doch dann kam die Strafe für sein kompromissloses, aggressiver gewordenes Einzelkämpfertum: 2006 gewann er die relative Mehrheit, aber keine bürgerliche Partei wollte mit ihm in Koalition. Als Partner blieben nur die schwer geschlagene HZDS des verblassten Expremiers Mečiar und die minderheitenfeindliche Slowakische Nationalpartei SNS des oft betrunken auftretenden Maulhelden Ján Slota. Dass er sich mit so zwielichtigen Leuten einließ, brachte ihn international in Isolation gerade gegenüber den Europäischen Sozialdemokraten, denen er sich vergeblich anbiederte. 2010 gewann er noch Stimmen dazu, nahm sie aber vor allem seinen Koalitionspartnern weg und musste am Ende in Opposition gehen.

Erstaunlich sind seine jetzt monatelang wiederholten Beteuerungen, er wolle auch im Fall einer absoluten Mehrheit eine Koalition mit einer Mitte-rechts-Partei: „In der Politik geht es darum, einander gegenseitig zu kontrollieren, und darum, Kompromisse zu suchen. Deshalb ist eine Regierung aus zwei Parteien besser als eine Einparteienregierung.“ Falls man aber sein Angebot nicht annehme, sei er auch bereit, allein zu regieren, sagte er kurz vor der Wahl am gestrigen Samstag, deren Ergebnis heute Sonntag bekannt wird.

Doch selbst gegenüber seinen Erzfeinden, den Journalisten, die er als Premier pauschal als „Hyänen“ und „Prostituierte“, die sich mit Inseraten kaufen ließen, abgestempelt hatte, wurde Fico versöhnlich. Zuletzt wirkte er, als habe er sich neu erfunden. Aus dem griesgrämigen Interviewpartner, der stets böse schaute und hinter jeder noch so harmlosen Frage ungerechte Kritik zu vermuten schien, wurde ein freundlich lächelnder Siegertyp, der jetzt auch die Sympathien der Medien gewinnen will.


Hat der Mann sich neu erfunden?
Noch bei der Wahl 2010 hat es peinlich gewirkt, dass sich der als trocken bis humorlos geltende Nichttrinker und Nichtraucher in einem Wahlkampfvideo mit seinem Hund spielend von seiner „wenig bekannten menschlichen Seite“ zeigen wollte. Nun verzichtet er auf so gezwungene Verklärungen ebenso wie auf seine berüchtigten Pauschalurteile über Journalisten. Offenbar hat Fico in der nur eineinhalbjährigen Oppositionszeit viel gelernt und will sich nicht mehr nur auf dem Fußballfeld kooperativ zeigen.

Fixer Sieger

Die vorgezogene Parlamentswahl vom Samstag, deren Ergebnisse heute bekannt werden, dürfte laut Umfragen die linke Oppositionspartei „Smer“ von Expremier Robert Fico (2006–10) mit etwa 40Prozent der Stimmen gewinnen. Um die 150 Mandate bewarben sich gleich 26 Parteien.

Robert Fico (geboren 15.9.1964 in Topolcany, Westslowakei) studierte Jus, arbeitete als Jurist u. a. für die Akademie der Wissenschaften und wurde in den 1990ern Vertreter seines Landes am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Ab 1992: Abgeordneter der Demokratischen Linken. 1999 gründete er seine sozialdemokratische Partei „Smer“. 2006–2010: Premier in einer umstrittenen Koalition mit zwei rechtspopulistischen Parteien. Seit 2010: Vizeparlamentspräsident. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2012)

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