Realitätsferne Gelöbnisse

Hollande wird eine Neuverhandlung des Fiskalpakts nicht durchsetzen können.

In Zeiten des Wahlkampfs werden stets große Versprechen gemacht. „Feierlich“ kündigte der sozialistische Präsidentschaftskandidat in Frankreich, François Hollande, an diesem Wochenende zum wiederholten Male an, den von den EU-Ländern mühsam ausgearbeiteten Fiskalpakt neu verhandeln zu wollen. Dieser schaffe durch den verordneten Sparzwang die Bedingungen für eine dauerhafte Wirtschaftskrise, so der Tenor. Sicher: In dem völkerrechtlich geschlossenen Vertrag fehlen Zusagen zu Investitionen in Wachstum und Beschäftigung. Durch Sparen allein kann man keine Krise dauerhaft bekämpfen.

Doch die Aussagen von Hollande sind nicht nur allzu vage, sondern auch wirklichkeitsfremd. Über seine einzig konkreten (Gegen-)Vorschläge zum Fiskalpakt, Finanztransaktionssteuer und gemeinsame Eurobonds, wird ohnehin seit Monaten hitzig debattiert. Beides ist wegen diametral gegensätzlicher Interessen auf gesamteuropäischer Ebene jedoch derzeit nicht durchführbar.

Und auch der amtierende Präsident Nicolas Sarkozy ist in seiner Wahlkampfrhetorik nicht realistischer. In letzter Verzweiflung fischt er nun am rechten Rand des Spektrums, fordert gar die Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Schengenraum und eine rigorose Zuwanderungsbegrenzung.

Welcher von beiden Kandidaten in wenigen Wochen auch immer als Sieger feststeht: Er hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn die übrigen EU-Länder, allen voran das mächtige Deutschland, werden weder rechtspopulistischen Forderungen nachgeben noch die strapaziösen Fiskalpaktverhandlungen noch einmal von vorn beginnen. Das französische Volk hätte sich wahrlich mehr Realismus verdient.

anna.gabriel@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2012)

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