Zu Besuch im Sicherungskasten der Republik

(c) Power Grid
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Im Süden Wiens steht das Nervenzentrum des österreichischen Stromnetzes. Nur wenige Personen steuern hier mit Computern den Elektrizitätstransport der Hochspannungsleitungen. Eine Arbeit mit Verantwortung.

Wien. Benutzern der SchnellstraßeS1 wird der einem Ufo nicht unähnliche Bau im Süden Wiens schon aufgefallen sein. Die Konstruktion aus Stahl und Glas ist jedoch kein Nebengebäude der nahe gelegenen Autobahn-Raststation, sondern das Nervenzentrum des österreichischen Stromnetzes. Hier, in der sogenannten Power Grid Control, werden die Autobahnen der Elektrizität kontrolliert. Passiert nur ein kleiner Fehler, gehen im ganzen Land die Lichter aus.

Damit das nicht geschieht, beschäftigt der Betreiber, die Austrian Power Grid (APG), in der 2009 errichteten Steuerwarte ein ganz besonderes Team. Es liegt sprichwörtlich in den Händen der drei rund um die Uhr anwesenden Operatoren, ob Österreich funktioniert – oder nicht. 6774 Kilometer Hochspannungsleitungen und mehrere Umspannwerke werden von einem kathedralenartigen Raum aus via Knopfdruck und Computer gesteuert. Das klingt einfach, ist es aber nicht.

Techniker fordern mehr Leitungen

Ein Stromnetz funktioniert nämlich nur dann zuverlässig, wenn Kraftwerke genau so viel Energie einspeisen, wie die Kunden verbrauchen. Kippt dieses Gleichgewicht, drohen Ausfälle, weshalb jeder Tag im Voraus und in Abstimmung mit den Energieerzeugern und -verbrauchern geplant wird. Europaweit. Zudem müssen die Mitarbeiter der Grid Control darauf achten, die begrenzte Anzahl an Leitungen nicht zu überlasten. Geschieht das – etwa aus Mangel an Netzkapazitäten – trotzdem, können sich sogenannte Blackouts über Grenzen hinweg ausbreiten. Eine Studie der Linzer Kepler-Universität beziffert den volkswirtschaftlichen Schaden für einen Tag Stromausfall in Österreich mit 875 Millionen Euro.

Weil ohne Strom so gut wie nichts mehr funktioniert, gleicht die Grid Control an der S1 einer Festung. Hohe Zäune und Kameras halten ungebetene Gäste fern. Im Haus arbeitet ein eigener Sicherheitsdienst, der Zutritt in den Kontrollraum ist nur über die Sicherheitsschleuse möglich. Sie durchschreiten darf ein kleines Team, das vom Verfassungsschutz der Republik auf seine Zuverlässigkeit überprüft wurde. Hier geht es nun tatsächlich um die viel zitierte nationale Sicherheit.

Wobei: Die größte Gefahr für das Stromnetz ist derzeit der Ausbau der alternativen Energieträger. „Um sie wie gewünscht einzubinden, braucht es zusätzliche Hochspannungsleitungen“, sagt Heinz Kaupa, Vorstandssprecher der APG. Diese technische Notwendigkeit auch den zuständigen Politikern näherzubringen, sei nicht immer einfach.

Wie nötig neue 380-kV-Kabel sind, zeigt das derzeit in Planung befindliche Kraftwerk Limberg3 in Salzburg, das ohne zusätzliche Leitung gar keinen Strom liefern kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2012)

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