Hubert Sauper: Afrikanische Albträume

Hubert Sauper Afrikanische Albtraeume
Hubert Sauper Afrikanische Albtraeume(c) APA (CLAUDIA BOKMEIER)
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Mit "Darwin's Nightmare" hatte der Österreicher Hubert Sauper Welterfolg. Derzeit vollendet er einen Film über die Kolonialisierung der Dritten Welt. "Wir kommen in Frieden" ist der Arbeitstitel.

Fast acht Jahre ist es her, dass Hubert Sauper seinen Dokumentarfilm „Darwin's Nightmare“ vorstellte und damit einen Welterfolg feierte: Die katastrophalen Zustände am Viktoriasee lieferten ihm ein Beispiel für die Mechanismen der Globalisierung als Teufelskreis. Der in den 1960ern im See ausgesetzte Viktoriabarsch wurde zum Speisefisch-Exportschlager: Doch die Transportflugzeuge importieren zugleich heimlich Waffen für Kriege in Afrika, während der aggressive Barsch zum Zusammenbruch des Ökosystems Viktoriasee geführt hat.

Eine Metapher für „politischen Darwinismus“ hat Sauper den Barsch genannt: „Er wird immer größer und frisst seine eigenen Jungen und letztlich sich selbst auf.“ Der Film des seit den 1990ern in Frankreich lebenden Regisseurs sorgte international für Aufsehen und Kontroversen: Ein französischer Historiker, der Sauper vorgeworfen hatte, mit falschen Fakten zu arbeiten, wurde letztlich wegen Rufschädigung verurteilt (und musste die Prozesskosten sowie die symbolische Strafe von einem Euro zahlen). „Darwin's Nightmare“ wurde indessen mehrfach preisgekrönt und für den Dokumentarfilm-Oscar nominiert.


Mit Sputnik über Afrika. Mit seinem neuen Projekt will Sauper noch höher hinaus – auch buchstäblich: Er hat sich vor ein paar Jahren ein eigenes Ultraleichtflugzeug gebaut und auf den Namen Sputnik getauft. Damit hat er zehntausende Flugmeilen über dem afrikanischen Kontinent zurückgelegt. Über zweihundert Stunden Filmmaterial hat Sauper angehäuft und auf seinem Anwesen in der Bourgogne südöstlich von Paris geschnitten. Derzeit befindet er sich für Nachdrehs im erst kürzlich gegründeten Südsudan.

„Wir kommen in Frieden“ ist der Arbeitstitel für seine neue Dokumentation, eine Geschichte der nicht abreißenden Kolonialisierung in der Dritten Welt. Das Städtchen Faschoda im Südsudan ist ein Schlüsselschauplatz der Produktion: Ende des 19. Jahrhunderts waren dort die Kolonialmächte aneinandergeraten, als die Engländer ihre Kolonien von Kairo bis zum Kap entlang einer Nord-Süd-Achse zusammenschließen wollten, während die Franzosen dasselbe entlang einer West-Ost-Linie von Dakar bis Dschibuti versuchten. Eine internationale Krise wurde in letzter Sekunde durch den kampflosen Abzug der französischen Truppen verhindert. Heute würde ebendort ganz Ähnliches passieren, meint Sauper: Jetzt streiten die Chinesen und Amerikaner um die Vorherrschaft, kriegerische Mittel kommen nicht zum Einsatz, aber die Auseinandersetzung wird nicht weniger unnachgiebig geführt. So sitzen junge chinesische Ingenieure in einer Erdölförderanlage, gut abgeschottet von den Hungerkatastrophen und Bürgerkriegen, die in Afrika toben.

Unweigerlich muss man da an den Dokumentarfilm denken, mit dem der vormalige Regiestudent Sauper 1998 erstmals großes Aufsehen erregte: „Kisangani Diary“ schilderte das Schicksal einer Gruppe von 80.000 Hutu-Flüchtlingen aus Ruanda, die durch den Regenwald von Zaire irrten. „Wenn Sie diesen Film sehen“, lautet der erste Satz des Kommentars, „sind die meisten der hier Abgebildeten bereits tot.“ Sauper war den Flüchtlingen am Ufer des Kongo begegnet, auch „Darwin's Nightmare“ entsprang einem Aufenthalt in Tansania zur Mithilfe beim Aufbau einer Produktionsfirma.

Saupers Faszination für Afrika ergänzt sich mit den kritischen und politisch brisanten Themen seiner Filme: „Kapitalismus scheint mir auf den Computerbildschirmen der Wall Street weniger sichtbar zu sein als dort, in Afrika, wo das Kapital aus der Erde gegraben, aus den Seen gefischt wird“, erzählte er im Vorjahr der „Zeit“: „Meine Filme erzählen von der Machtlosigkeit Einzelner gegenüber einem mächtigen, unmenschlichen System.“

Hubert Sauper

Geboren 1966 in Kitzbühel, aufgewachsen im Kärntner Großkirchheim, wo seine Familie den örtlichen Schlosswirt betreibt. Regie studierte Sauper in Wien und Paris, wohin er Mitte der 1990er zog. 1989 entstanden seine ersten Kurzfilme, der Durchbruch kam 1998 mit der Dokumentation „Kisangani Diary“.

Mit „Darwin's Nightmare“ über die katastrophalen Zustände am Viktoriasee hatte Sauper 2004 Welterfolg und wurde für den Oscar nominiert. Nach einer Pause zur Erholung vom „absurden Leben“ der vierjährigen, riskanten Dreharbeiten arbeitet er nun an einer neuen Doku: „Wir kommen in Frieden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2012)

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