Despres: "Die Dakar ist kein normaler Job"

Despres Dakar kein normaler
Despres Dakar kein normaler(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Red Bull)
  • Drucken

Cyril Despres liebt das Abenteuer, und sitzt der Franzose einmal auf seiner KTM, ist er nicht aufzuhalten. Er plaudert über Leidenschaft, die Rallye Dakar, seltene Pannen und den Vorteil des Alters.

Die Rallye Dakar findet seit 2009 nicht mehr in Afrika, sondern in Südamerika statt. Sie sind durch beide Kontinente gefahren, wo gefällt es Ihnen besser?

Cyril Despres: Die Unterschiede sind enorm. Die Menschen sind anders, das Klima und die Landschaft auch. In einem gleichen sich aber die Rennen in Afrika und Südamerika – sie sind unglaublich hart. Welche Dakar mir aber besser gefällt, kann ich nicht beantworten. Mir gefällt jedoch die Challenge und das Verlangen zu siegen. Allerdings verbindet mich viel mit Afrika und ich vermisse das Land sehr.

Wodurch unterscheiden sich die Sonderprüfungen in Südamerika von Afrika?

Sie sind in Südamerika technisch viel anspruchsvoller. Sie sind vielleicht mitunter etwas kürzer, aber die Zeit, die du auf dem Motorrad sitzt, ist die gleiche. Die Durchschnittsgeschwindigkeiten sind aber niedriger, das hängt auch damit zusammen, dass David Castera, er ist für die Streckenauswahl verantwortlich, großes Augenmerk darauf legt. Er sucht nach anspruchsvollem Terrain, eines, das für die Motorräder passt, die wir derzeit benützen.

Die Abstimmung erfolgt zumeist im Team. Welche Bedeutung hat der Teamkollege?

Das Team ist das ausschlaggebende Element. Die Situationen und Gegebenheiten, in denen wir arbeiten, verlangen enorm viel und du brauchst Mechaniker, die ohne Schlaf jedem Druck standhalten. Als Fahrer musst du ihnen erklären können, wo du Handlungsbedarf siehst. Jeder muss dem anderen vertrauen und jeder Handgriff muss verlässlich sitzen.

Wie gehen Sie mit der Gefahr um? Sie haben nach Unfällen auch viele Freunde verloren. Wie sehr hat sich Ihre Sichtweise verändert, nachdem Sie Vater geworden sind?

Ich habe nicht den Eindruck, dass ich zu viel riskiere. Ich habe fast jedes Rennen beendet, bei der Dakar kam ich nur einmal nicht ins Ziel. Aber man sollte sich nie überfordern und überschätzen. Und weil ich das nicht mache, hat sich an an meiner Denkweise nichts verändert, seitdem ich Vater geworden bin. Ich fahre wie immer, meine Einstellung ist dieselbe.

Wie sehr reizt es Sie, den Siegesrekord von Stéphane Peterhansel bei der Dakar zu brechen? Sie haben viermal gewonnen, Peterhansel unglaubliche zehnmal...

Ich will immer die nächste Dakar gewinnen! Stéphanes Rekord interessiert mich nicht. Ich werde mitfahren, solange ich auf höchstem Niveau fahren kann. Wenn es aber darauf hinausläuft, dass ich am Ende doch zehnmal die Dakar gewonnen habe, ist es auch in Ordnung. Aber mit dieser Einstellung würde ich niemals in eine Dakar starten.

Die Rallye Dakar gilt als das härteste Rennen der Welt. Ist es für Sie nur ein Job oder sind Sie der Dakar auch ein wenig verfallen?

Ich versuche so professionell wie möglich zu fahren, aber das heißt noch lange nicht, dass ich die Dakar als ,normalen Job‘ betrachte. Die Rallye dauert an sich nur zwei Wochen, in Wahrheit aber beschäftigt sie dich das ganze Jahr über. Wer da nicht genug Hingabe mitbringt, kann auch nicht die nötige Energie dafür aufbringen.

Wie bleibt man aber 15 Tage lang durchgehend konzentriert?

Das ist die größte Herausforderung. Die Konzentration darf niemals nachlassen. Nicht auf dem Motorrad, sondern auch dann, wenn du am Abend das Road-Book schreibst und die Route studierst. Der einzige Moment, in dem du dich nicht konzentrieren musst, ist, wenn du schläfst! Aber schlafen kannst du nur sehr selten. Deshalb sind Leidenschaft und der Wille so enorm wichtig. Sie geben dir die Kraft, so lange durchzuhalten.

Denkt man an die Menschen und das Land, wenn man auf dem Motorrad Gas gibt?

Natürlich denkst du nach. Ich mochte das Reisen schon immer, ich will Neues entdecken. Das macht ja die Dakar aus. Ich bedaure es sehr, dass ich zumeist keine Zeit habe, mich mehr mit den Menschen oder der Szenerie zu beschäftigen. Ich habe mir aber eine Liste geschrieben mit den Plätzen, die mich inspiriert haben. Nachdem ich meine Karriere beendet habe, kehre ich dorthin zurück!

Für Kultur, Land und Leute bleibt keine Zeit?

Nein, nicht genug, wie ich es gern hätte. Deshalb komme ich ja irgendwann dorthin zurück. Without any bike...

Was unterscheidet Sie von den anderen Fahrern, was macht Sie schneller?

Das sollten Sie die anderen fragen... Aber, wie ich vorhin schon gesagt habe: Ich vereine Leidenschaft und Professionalität, habe ein tolles Team hinter mir und sitze auf dem besten Bike. Ich habe die Erfahrung, zusammen ergibt das ein tolles Package.

Ist es ein Vorteil, älter und erfahrener zu sein oder ist jugendlicher Elan besser?

Ich bin für Ersteres, du kannst allerdings auch zu alt und zu weise sein! Im Augenblick kann ich mein Alter mit der Erfahrung kompensieren, aber der Tag kommt, an dem das nicht mehr reichen wird. Ich wäre sehr verwundert, würde ich in zehn Jahren noch Rennen fahren und die Dakar gewinnen.

Hat die Dakar Ihrer Meinung nach etwas vom Abenteuermythos verloren?

Ja – wenn sie die Dakar von heute mit der vor 30 Jahren vergleichen, ist der Unterschied enorm. Heute ist es mehr ein Rennen denn ein Abenteuer. Aber einer der Gründe, warum die Dakar noch immer so erfolgreich ist, ist die Tatsache, dass sie mit der Zeit mitgegangen ist. Die meisten Teilnehmer sind Amateure, die sich alles selbst finanzieren. Ich glaube, sie würden ihr Geld nicht dafür ausgeben, wenn es die gleichen Verhältnisse wären wie vor 30 Jahren. Auch sind Sicherheitsvorkehrungen jetzt ganz anders. Jetzt gibt es Peilsender, die Organisatoren wissen, wo wir uns aufhalten. Damit ist der Abenteuergedanke eingeschränkt, aber dafür ist alles sicherer. Und wenn Motorhomes erlaubt sind, bleibt dir nichts anderes übrig, als sie zu benützen. Ich habe immer gern im Zelt geschlafen, aber wenn meine Rivalen im Campingwagen übernachten und ich nicht, haben sie einen Vorteil. Das geht nicht.

Wie ernähren Sie sich während des Rennens? Gibt es spezielle Vitamindrinks?

Wir beginnen immer früh, aber um halb vier in der Früh habe ich Probleme, etwas runterzuwürgen. Dabei musst du gerade da viel essen, du brauchst ja die Kraft. Dann stopfe ich meine Jackentaschen mit Energieriegeln und Nüssen voll, die esse ich vor dem Start oder während der 15-minütigen Tankpause. Im Biwak freue ich mich über Trockennahrung, die eigentlich für Segler und Bergsteiger entwickelt wurde. Das spart Zeit und schmeckt überraschenderweise gar nicht so schlecht. Am Abend gibt es ein großes Essen. Ich trinke den ganzen Tag über viel Wasser und Red Bull, vielleicht nehme ich hin und wieder noch einen Vitamindrink.

Und was machen Sie, wenn Sie während der Sonderprüfung dringend pinkeln müssen?

Mir ist es lieber, wenn ich es bis zum Tankstopp schaffe. Sollte es sich aber nicht ausgehen, dann...

Schrauben Sie selbst an ihrem Bike herum?

Nein, ich habe seit zehn Jahren den gleichen Mechaniker, er kümmert sich um alles.

Welche Trainingsprogramme und Vorkehrungen sollten Neueinsteiger absolvieren?

Man muss fit sein und mit dem Bike bestens vertraut sein. Du brauchst Ausdauer und Geduld, du sitzt schließlich viele Stunden auf dem Motorrad. Ein Privattrainer wäre gut, er hält dich auf Trab und kann auch motivieren.

Dakar-Spezialist

Ein Mann und seine Maschine
Cyril Despres, 38, ist Enduro-Rennfahrer. Der Franzose gewann viermal die Dakar-Rallye und war auch zweimal beim Erzberg-Rodeo auf KTM siegreich.

Von Afrika nach Südamerika
Die Rallye Dakar findet seit 1978 jährlich statt und ist ein Offroad-Abenteuer. Nach Terrordrohungen übersiedelte die Wüstenrallye von Afrika nach Argentinien und Chile. 2013 startet
das Rennen erstmals in Peru.AP

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.