Interview: „Ich hatte keine echten Berufsvorstellungen“

Josef Lentsch wird International Director der RSA, einer der ältesten britischen Kulturinstitutionen. Der Gründer des Karrierecenters Uniport über seinen neuen Job und den Weg von Wien via Harvard nach London.


Die Presse: Die Royal Society for the Encouragement of Arts, Manufactures & Commerce (RSA) ist eine sehr ungewöhnliche Organisation. Was macht sie eigentlich genau?
Josef Lentsch:
Wir sind eine mitgliedsbasierte, zivilgesellschaftliche Vereinigung, parteiunabhängig und den Werten der Aufklärung verpflichtet. Die Queen ist Patronin und Prinzessin Ann Präsidentin. Unsere Mitglieder sind 27.000 Fellows in mehr als 80 Ländern. Wir beschäftigen uns mit Ideen für eine bessere Gesellschaft, haben beispielsweise das größte öffentliche Vorlesungsprogramm in Großbritannien, betreiben eigene Schulen und entwickeln neue soziale Dienste, etwa in der Drogenrehabilitation. Die Arbeit hat etwas Universitäres, aber ebenso auch etwas Unternehmerisches. Weltweit ist die RSA besonders durch die „Animate“-Serie bekannt, in der Vorträge zu unterschiedlichen gesellschaftsrelevanten Themen mithilfe animierter YouTube-Videos dargestellt werden.

Wie sieht bei alldem Ihr Job aus?
Bislang war ich für das Fellowship-Programm zuständig. Ab 2. April werde ich in der neuen Position des Director of RSA International verantwortlich für den Auf- und Ausbau der internationalen Aktivitäten sein. Die RSA hat ein internationales Profil und Fellows in sehr vielen Ländern. Im nächsten Schritt heißt es, die Kräfte zu bündeln und zu sehen, wie wir mit unseren Ideen und Projekten global einen signifikanten Beitrag leisten können.

Wie viel können Sie schon von Ihren Plänen verraten?
Wir wollen die RSA von einer Organisation mit weltweitem Profil zu einer echten internationalen Organisation ausbauen. In den nächsten Monaten werde ich Eckpunkte einer internationalen Strategie formulieren, die dann in den nächsten drei Jahren umgesetzt wird. Dazu gehören Fragen wie: In welchen Ländern passt das Umfeld für die RSA? Wo gibt es bereits Anknüpfungspunkte mit möglichen Partnern? Denn wir sind eine Non-Profit-Organisation und brauchen finanzstarke Partner.

Erst Gründer, dann Elite-Uni und jetzt eine Führungsaufgabe in einer altehrwürdigen britischen Institution. Welche Berufsvorstellungen hatten Sie eigentlich als Maturant?
Ich hatte keine echten Vorstellungen. Das war später ein Mitgrund, Unitrain (heute Uniport, Anm.) zu gründen: Viele Leute haben zu wenig Beratung und Unterstützung erhalten. Auch ich hatte kein Gefühl dafür, was alles möglich ist.

Wie kam die Idee zum universitären Karrierecenter?
Mein Partner und ich waren beide in der Studentenvertretung, kannten die Universitäten gut von innen und wussten, dass es einen Bedarf für Karriereberatung und Jobvermittlung gibt. Abgesehen vom Zentrum für Berufsplanung an der WU gab es in Österreich noch nichts Vergleichbares. Wir haben 2000 gemeinsam    mit Partnern aus der Wirtschaft ein Konzept entwickelt und hatten auch von Beginn an Firmenkunden, die mit uns an den Unis Recruiting und Personalmarketing gemacht haben. 2002 gründeten wir dann das Karrierecenter mit der Universität Wien als Partner.

Und die Uni wollte einen stärkeren Konnex mit der Wirtschaft?
Der damalige Rektor Winckler war hier sehr weitsichtig. Aber natürlich sind da unterschiedliche Kulturen aufeinandergestoßen: einerseits die Universität als Riesenbetrieb mit fast 650 Jahren Geschichte, andererseits wir als kleines Unternehmen mit zwei Geschäftsführern in ihren 20ern. Das Thema Innovation öffentlicher Services begleitet mich seit damals.

Nach sieben Jahren haben Sie Uniport verlassen und ein Postgraduate-Studium an der Harvard Kennedy School absolviert.
Inhaltlich hat mich die Schnittstelle zwischen privat, öffentlich und Non-Profit immer mehr zu interessieren begonnen, und die Kennedy School bietet da ein tolles Vorlesungs- und Seminarprogramm. Zudem ist sie die internationalste Fakultät in Harvard mit Studenten aus über 100 Ländern. Mit meinem Hintergrund wollte ich natürlich sehen, wie so eine Spitzen-Uni funktioniert.

Wie darf man sich das Studium vorstellen? Als Postgraduate lebt man wahrscheinlich nicht mehr wie ein „Freshman“.
Es ist natürlich ein sehr intensives Studentenleben. Man muss   pro Woche oft 600 Seiten und mehr lesen, und sehr viel schreiben. Ich habe auch einige Kurse quer belegt, etwa an der Business School und der Education School. Das hat mir die Möglichkeit eröff net, mich in unterschiedlichen Bereichen weiter zu vertiefen, beispielsweise Demokratie-Innovation und natürlich dem Thema Unis und Bildung. Zudem habe ich meine praktischen Fertigkeiten weiterentwickelt, etwa mit dem berühmten Harvard-Verhandlungstraining.

Was bedeutet es für Sie persönlich, Karriere zu machen?
Erfolg ist nicht möglich ohne die Hilfe vieler Menschen auf dem Weg. Ich habe viel Unterstützung von meinen Eltern erhalten, und ich bekomme sie heute in der RSA. Zum Beispiel arbeite ich eine Vier-Tage-Woche, so wie meine Frau auch. Wir können uns beide um unseren Sohn kümmern und machen beide Karriere. Es ist mir ein großes Anliegen, jungen Menschen zu vermitteln, dass Karriere mehr bedeutet als Beruf. Anfang Mai werde ich meine ehemalige Schule in Eisenstadt besuchen und mit den Schülern darüber sprechen.

Auf einen Blick

Josef Lentsch gründete im Jahr 2000 mit einem Partner die heutige Uniport, das Karrierecenter der Universität Wien. Erst danach schloss er sein Psychologiestudium ab und absolvierte ein Postgraduate-Programm (Master of Public Administration) in Harvard. Seit 2010 ist Lentsch für die RSA tätig, er lebt mit Frau und Sohn in London.

Die RSA wurde 1754 als königliche Gesellschaft gegründet. Heute lautet die erklärte Mission, die Werte der Aufklärung ins 21. Jahrhundert zu tragen. Die Organisation sieht sich als Thinktank, Diskussionsplattform und Anbieter im Bildungswesen. Ihre Erklärvideos der „Animate“-Serie wurden auf YouTube bislang 50 Millionen Mal aufgerufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2012")

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