Heinisch-Hosek will Karenz aufteilen

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Die Frauenministerin erklärt, warum sie der Streit um die Größe der geschlechtsspezifischen Lohnlücke „ein wenig grantig“ mache. Künftig sollen Unternehmen ab hundert Mitarbeitern Frauenförderpläne erstellen.

Die Presse: Haben es Frauen in Italien besser als in Österreich? Im EU-Ranking der Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen liegt Österreich mit 25,5 Prozent auf dem letzten Platz, Italien mit etwas über fünf Prozent weit vorne.

Gabriele Heinisch-Hosek: Dazu müsste ich die Frauenerwerbsquote(Anm: Anteil der Frauen an den Erwerbstätigen) in Italien wissen. Tatsache ist: Wenn die Erwerbsquote niedrig ist, kann die Lohnlücke kleiner scheinen.

Die Erwerbsquote in Italien liegt bei etwa 46 Prozent, in Österreich bei circa 66 Prozent. Laut Wifo-Expertin gehen in Italien vor allem gut ausgebildete, gut verdienende Frauen arbeiten, unter anderem weil es wenig Kinderbetreuung gibt. Im Vergleich schneiden Frauen daher beim Verdienst gut ab. Relativiert das den letzten Platz Österreichs beim EU-Ranking?

Nein. Der Vergleich von Bruttostundenlöhnen ist zulässig. Der Zusammenhang mit der Erwerbsquote ist nur eine von vielen Erklärungen. Und Tatsache bleibt, dass die Arbeit von Frauen bei uns ein Viertel weniger wert ist.

In den 25 Prozent Lohnlücke sind Faktoren enthalten, die nicht nur mit dem Frau-Sein zu tun haben. Das Wifo hat für 2007 diese Faktoren herausgerechnet: z.B. Bildungsgrad, Branche, Firmengröße. Im Ergebnis kommt man bei der Privatwirtschaft auf 13,5 Prozent Lohnunterschied, den man nicht erklären kann. Ist dieser bereinigte Wert nicht aussagekräftiger?

Natürlich ist mir der nicht-erklärbare Lohnunterschied am wichtigsten, weil das die Diskriminierung rein auf Grund des Geschlechts ist. Das ist der Kern: Warum bekommen Frauen für die gleiche Tätigkeit weniger bezahlt? Im Frauenbericht von 2010 kommen wir übrigens nicht auf 13,5, sondern auf bis zu 18 Prozent. Faktum ist: Man muss weiterhin etwas tun.

Laut Wifo könnte man aus den 13,5 Prozent weitere Faktoren herausrechnen: Etwa, dass Frauen weniger aggressiv um ihr Gehalt verhandelten. Unterm Strich käme man auf zehn Prozent „echte Diskriminierung“ – oder weniger.

Das macht mich jetzt fast ein wenig grantig. Zu sagen: Wir hanteln uns auf vielleicht drei Prozent runter und dann passt eh alles, so wie das zuletzt eine Qualitätszeitschrift gemacht hat. Die Quellen dieser Statistiken sind Eurostat und die Statistik Austria. Sie werden ja auch nicht in Zweifel gezogen, wenn es zum Beispiel um volkswirtschaftliche Daten geht.

Was ist für Sie der Hauptgrund für die Diskriminierung?

Der größte Anteil der Lohnunterschiede kann nicht erklärt werden. Das legt nahe, dass Frauen bewusst auf Grund ihres Geschlechts diskriminiert werden.

Frauen verdienen unter anderem weniger, weil sie möglicherweise einmal in Karenz gehen. Und Väter gehen oft deshalb nicht in Karenz, weil sie besser verdienen als ihre Partnerin. Wie durchbricht man das?

Das Liebste wäre mir, wenn die Karenz geteilt werden müsste.

Hälfte-Hälfte?

Darüber kann man reden. Aber im ersten Schritt würde ich zwei Drittel zu einem Drittel sagen, und wenn ein Teil nicht genommen wird, verfällt er. Davor muss man aber in der Privatwirtschaft den Papamonat möglich machen. Wenn ein Unternehmen sagt, es könne einen Mitarbeiter einen Monat nicht entbehren, kann ich nur lachen. Frauen müssen ja auch entbehrt werden, wenn sie in Karenz gehen.

Seit dem Vorjahr müssen große Unternehmen intern Einkommensberichte erstellen. Dabei werden allerdings nur Verwendungsgruppen ausgewiesen. Wie aussagekräftig sind diese Berichte?

Ich hätte nichts dagegen, dass man wie bei Politikern Einzelgehälter veröffentlicht, aber mehr war mit den Sozialpartnern nicht verhandelbar. Mir liegen die Berichte nicht vor, ich kann mich nur auf das verlassen, was ich höre. Ich höre, dass über achtzig Prozent der Betriebe die Berichte gemacht haben. Das ist positiv. Und ich höre, dass Lohnunterschieden, wo es sie gibt, auf den Grund gegangen wird. Wichtig ist, dass endlich über das Thema gesprochen wird.

Was müsste man denn konkret machen, damit sich die Lohnlücke schneller schließt?

Eine logische Ergänzung zu den Berichten wären verpflichtende Frauenförderpläne, die man machen müsste, sobald man Unterschiede feststellt. Man könnte für Unternehmen ab hundert Mitarbeitern festlegen, dass die Erstellung der Pläne ähnlich wie die Erstellung der Einkommensberichte von den Mitarbeitern eingeklagt werden kann. Das ist auch bereits Teil der Verhandlung über die Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes.

Die SPÖ fährt aktuell eine Kampagne gegen Teilzeit. Warum ist das schlimm? Für viele Frauen ist das nach der Karenz die einzige Möglichkeit, im Job zu bleiben.

Ich will Teilzeit nicht verteufeln. Aber in meiner aktuellen Umfrage, dem Frauenbarometer, das ich künftig auch vierteljährlich vorstellen will, sagen mehr als fünfzig Prozent „ich kann nicht anders“. Aktuell diskutiere ich mit dem Sozialminister zumindest Verbesserungsvorschläge: Wenn man für ein viertel oder ein halbes Jahr permanent mehr arbeitet, als es im Vertrag steht, soll der Betrieb anbieten, dass man aufstockt. Und von der Finanzministerin hätte ich gerne, dass für Teilzeitarbeitende die gleichen Regeln bezüglich der Pendlerpauschale gelten. Wenn man nicht zehn Tage im Monat zusammenkriegt, bekommt man derzeit nämlich keine Pauschale, und manche Frauen haben nur acht Tage.

Themenwechsel: Ein dramatischer, aktueller Fall illustriert, wie extrem Obsorgestreitigkeiten werden können. Zeichnet sich eigentlich zwischen Ihnen und der Justizministerin eine Einigung bezüglich der gemeinsamen Obsorge ab?

Nein. Es hakt an der Automatik nach strittigen Scheidungen. Die Justizministerin ist für ein Weiterlaufen der gemeinsamen Obsorge, bis sie der Richter aufhebt. Ich sage, bei strittigen Scheidungen geht das nicht. Ich warte auf Kompromissangebote.

Wie könnte so ein Kompromiss überhaupt aussehen?

Man könnte die alleinige Obsorge nach einer strittigen Scheidung einem Elternteil zugestehen und dann Fristen definieren. Wenn sich beide in dieser Zeit an die Regeln halten, dann könnte sich auch etwas ändern.

Zur Person

Gabriele Heinisch-Hosek ist Bundesministerin für Frauen und Öffentlichen Dienst (SPÖ). Die 50-Jährige startete ihre politische Karriere 1990 im Gemeinderat von Guntramsdorf. 1999 wurde die Hauptschullehrerin in den Nationalrat gewählt. Nach einem Gastspiel als niederösterreichische Landesrätin wurde Heinisch-Hosek im Dezember 2008 Frauenministerin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2012)

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