Bofinger: "Mickymaus-Modelle sind völlig realitätsfern"

Bofinger MickeyMouse
Bofinger MickeyMouse(c) REUTERS (Tobias Schwarz)
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Der deutsche Ökonom Peter Bofinger kritisiert seine Kollegen scharf. An den Wirtschaftsuniversitäten müssten die Studenten viel Unsinn lernen.

"An dem Unsinn, den Studenten heute oft lernen müssen, gibt es schon sehr vieles zu kritisieren", sagt der deutsche Ökonom Peter Bofinger im "Financial Times Deutschland"-Interview. Ein Problem dabei sei, dass es für karrierebewusste Ökonomen eher ein "notwendiges Übel" sei, Vorlesungen zu halten. "Mit guten Vorlesungen können Professoren wenig Reputation gewinnen". Ansehen gewinne man nur, wenn man Papiere in renommierten Zeitschriften veröffentliche.

Viele ökonomische Modelle seien "nur Zerrbilder der Realität", sagt der Ökonom, der die gängigen Lehrbücher systematisch selbst ausgewertet hat. "Die Standardwerke, nicht zuletzt das von Greg Mankiw, stellen die Makroökonomie als ein selbststabilisierendes System dar. Dem Staat kommt dabei überwiegend die Rolle des Störenfrieds zu. Über soziale Sicherungssysteme und Gewerkschaften findet man nahezu nichts", kritisiert Bofinger.

Kritik an Mickymaus-Modellen

In den Standardwerken würde etwa die konjunkturelle Arbeitslosigkeit nahezu völlig ausgeklammert, bemäkelt der Wirtschaftsweise. Laut den Lehrbüchern könne es nur durch höhere Löhne und staatliche Eingriffe zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen. "Das ist unfassbar", sagt Bofinger.

Die gefährliche Rolle der Finanzwirtschaft für die Realwirtschaft werde auch fünf Jahre nach Beginn der Finanzkrise grob unterschätzt. "In den Modellen agieren die Banken als reine Vermittler, die Ersparnisse einsammeln und sie als Kredite wieder zurück in die Wirtschaft geben. Diese Mickymaus-Modelle sind völlig realitätsfern", wettert Bofinger. "Der Finanzsektor braucht keine Einlagen um Kredite zu vergeben, in den Jahren vor der Krise konnten Banken nahezu grenzenlos Kredite aus dem Nichts schaffen. Daran wäre das Finanzsystem fast zusammengebrochen. Diese aktive Rolle der Banken hat bis heute weder Eingang in die Lehrbücher noch in die geldpolitische Strategie der Europäischen Zentralbank gefunden."

(Red.)

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