Spezialauktion: Ein Personenwaggon um 1800 Euro

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Symbolbild(c) FABRY Clemens
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In Waidhofen an der Ybbs kamen am Donnerstag 108 Eisenbahnwaggons unter den Hammer – teils historische Fahrzeuge aus den Beständen des Landes Niederösterreich. Übrig blieben am Ende nur fünf Holzwaggons.

Waidhofen a. d. Ybbs. „Tausendachthundert zum Ersten, Bieter Nummer sechs, tausendachthundert zum Zweiten, uuund tausendachthundert zum Dritten für die Nummer sechs!“ Mit einer fließenden Bewegung lässt Manfred Humer die Klingel auf dem Wirtshaustisch neben ihm ertönen, greift zu seinem Kugelschreiber und vermerkt das Ergebnis auf einer Liste.

So wechseln eine erkleckliche Summe Geld einerseits und der genau hundert Jahre alte Personenwaggon mit der Nummer ÖBB-2100, derzeit geparkt im Alpenbahnhof St. Pölten, andererseits den Besitzer. Das Bild hinter Humer, der als Kraftfahrzeugdirektor im Dorotheum die Versteigerung leitet, zeigt einen ausgebleichten, rot-weiß gestrichenen Waggon, an dessen Lack Rost und Witterung über Jahrzehnte deutliche Spuren hinterlassen haben. „Gebraucht, beschädigt, fehlen Teile“ steht in dem Versteigerungsprospekt, „Betriebserlaubnis abgelaufen“.
Knapp 50 Interessierte, fast ausschließlich Männer, viele mit osteuropäischem Akzent, sind gestern, Donnerstag, zu einer außergewöhnlichen Versteigerung in den Gasthof Kerschbaumer in Waidhofen an der Ybbs gekommen: Unter den Hammer – rein sprichwörtlich, denn das Dorotheum vergibt einen Zuschlag traditionell per Klingel – kommen 108 Schmalspur-Eisenbahnfahrzeuge aus den Beständen der niederösterreichischen Verkehrsgesellschaft Növog. Sie hat in den vergangenen Jahren mehrere Nebenbahnen von den ÖBB erstanden, inklusive nicht mehr verwendbaren Bahnmaterials, „dessen Instandsetzung für uns unwirtschaftlich wäre“, so Növog-Chef Gerhard Stindl, der ebenfalls zur Versteigerung gekommen ist.

„Öffentliches Gut gut verwertet“

Stindl wird sich nach der rund zweistündigen Auktion über insgesamt 155.040 Euro freuen können, die durch den Verkauf des Eisenbahnmaterials in die Kasse der Növog fließen. „Wir haben ungefähr mit der Hälfte gerechnet“, sagt Stindl, es sei „eine gute Art, öffentliches Eigentum zu verwerten“. Eigentum, das nicht zuletzt dadurch frei wird, dass die Landesgesellschaft den Betrieb der inneren Ybbstalbahn einstellt. Andere Waggons stammen etwa von der Mariazellerbahn, deren Material erneuert wird. Insgesamt sind die Wagen im ganzen Bundesland verteilt, wo die Käufer jetzt für ihren Abtransport sorgen müssen.

Den Erfolg der Auktion abzuschätzen, damit hat sich auch das Dorotheum schwergetan. Es sei das erste Mal, dass Eisenbahnwaggons versteigert würden, erzählt Humer – „wir hatten keine Erfahrungswerte, wo wir die Preise ansetzen können“. Gemeinsam mit der Növog habe man sich an den Schrottpreisen orientiert: Ein Personenwaggon von 1912 wird etwa um 1500 Euro ausgerufen, ein Holztransporter um 1100 Euro, für einen geschlossenen Güterwaggon werden 1300 Euro aufwärts fällig.

Preise, die dank lebendigen Wettbewerbs unter den Bietern zum Großteil um einige hundert Euro übertroffen werden – den höchsten Preis erzielt ein für 1000 Euro ausgerufener Rollwaggon zum Transport von Normalspurfahrzeugen: Er wechselt um 2400 Euro den Besitzer. Übrig bleiben am Ende nur fünf Holzwaggons, die zu einem Sammelpreis von 7600 Euro an einen Herren mit deutschem Akzent gehen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Die werden jetzt verschrottet“, sagt er und leckt sich die Lippen, „das bringt mehr, als die hier verlangen.“

„Volksvermögen vernichtet“

Andere werden weiter ihren Dienst versehen – etwa der eingangs erwähnte hundertjährige Personenwagen. Bieter Nummer sechs, Georg Hocevar, verlässt die Auktion mit mehr als einem Dutzend Waggons. Der gebürtige Salzburger betreibt in der rumänischen Bukowina eine Werkstatt zur Restaurierung und Verwertung von Bahnmaterial sowie mehrere Touristen-Schmalspurbahnen.

Normalerweise koste dort die Umrüstung eines Güter- zum Personenwagen rund 40.000 Euro – da seien die hier verkauften Personenfahrzeuge selbst in ihrem Zustand ein „Schnäppchen“. Und den Rest könne man noch immer mit Gewinn verwerten, sagt Hocevar. Auch, wenn ihm als Bahnfreund dabei das Herz blute – denn eigentlich sei die Schließung von Bahnen wie jener im inneren Ybbstal „Vernichtung von Volksvermögen“.

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