Gewerkschaft schmiedet Plan für Neckermann

(c) AP (MICHAEL PROBST)
  • Drucken

Die Arbeitnehmer des angeschlagenen Konzerns wollen Kooperationen mit Modeketten. Gewerkschaft verlangt vom Management sechs Wochen Zeit, um ein Konzept zu erarbeiten

Frankfurt/Reuters. Die Gewerkschaft Verdi setzt zur Rettung von Arbeitsplätzen beim angeschlagenen Versandhändler Neckermann auf Kooperationen mit großen Textilherstellern und Modeketten. Viele von ihnen seien nicht auf die Abwicklung von Online-Bestellungen eingerichtet, oft fehlten ihnen Lager und Fachkräfte dafür. „Das kann von Neckermann angeboten werden“, sagt Norbert Koesling, Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat des Versandhändlers. Die Gewerkschaft verlangt vom Management sechs Wochen Zeit, um ein Konzept zu erarbeiten, das den geplanten Abbau von 1500 Stellen wenigstens zum Teil abwenden soll.

Das einst zu Arcandor gehörende Traditionsunternehmen, das seit 2008 vom US-Finanzinvestor Sun Capital kontrolliert wird, hat in der vergangenen Woche mit Plänen für einen radikalen Umbau schockiert. Neckermann will das seit Jahren schrumpfende Kataloggeschäft aufgeben und sich ganz auf den Onlinehandel beschränken, der 80 Prozent des Umsatzes ausmacht. Zudem sollen spätestens zu Jahresende die Eigenmarken im Textilsegment aufgegeben werden. Künftig will Neckermann nur noch Markenware verkaufen, die von Herstellern oder Importeuren selbst verschickt wird. Die eigene Logistiktochter in Frankfurt, die 870 Menschen beschäftigt, wird damit überflüssig.

Bei der Aufsichtsratssitzung am Freitag konnten sich die Arbeitnehmer mit ihren Forderungen nicht durchsetzen, wie der stellvertretende Aufsichtsratschef und Arbeitnehmervertreter, Thomas Schmidt, sagte. Man wolle nun versuchen, zumindest einen Teil der Vorschläge zu realisieren. Am Mittwoch finden Betriebsversammlungen statt.

Textilgeschäft bricht ein

Schmidt räumte ein, dass das Textilgeschäft ins Stottern geraten sei – anders als das Geschäft mit Technik, Möbeln und Heimtextilien, auf das der Versandhändler künftig baut. In den ersten Monaten des Jahres sei die Absatzmenge bei Textilien um 30 Prozent eingebrochen. Der Katalog setze zu stark auf Eigenmarken und günstige Preise, im Internet seien aber Markenartikel gefragt, bei denen die Preise keine Rolle spielten. Dadurch sei Neckermann gegenüber Amazon oder Marktführer Otto ins Hintertreffen geraten. Dennoch könne Neckermann nicht ganz auf Kataloge verzichten, um die Kunden auf die Homepage zu locken, sagte Schmidt.

„Wir haben starke Zweifel am Konzept der Geschäftsführung“, sagte Verdi-Vertreter Wolfgang Thurner im Aufsichtsrat. Wirtschaftsprüfer Günter Stolz, der das Arbeitnehmerkonzept ausarbeiten soll, sprach von einem Schnellschuss. Sun Capital versuche damit, sein Investment von rund 200 Mio. Euro zu retten. Der Investor wolle in der Regel nach fünf Jahren wieder aussteigen – das wäre 2013. Nach einem Bericht des Branchenmagazins „Der Handel“ würde der Umbau Sun Capital nochmals rund 30 Mio. Euro kosten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.