Die Wahlsiegerin von Nordrhein-Westfalen trat erst relativ spät der SPD bei.
Eine Person, deren Familienname als Einladung zu diversen halblustigen Kalauern verstanden werden kann, hat zwei Möglichkeiten, damit umzugehen: defensiv oder offensiv: Hannelore Kraft zählt zur zweiten Kategorie. Auf der Homepage der Wahlsiegerin von Nordrhein-Westfalen belegt die Rubrik „TatKraft“ eine prominente Position, in deren Rahmen Krafts Firmenbesuche dokumentiert werden. Zweck des Unterfangens: „Echte Eindrücke von den Arbeitsbedingungen der Menschen hautnah erleben.“
Wobei es der Regierungschefin von Nordrhein-Westfalen, die in der SPD bereits als Herausforderin von Angela Merkel gehandelt wird, nicht an Volksnähe mangelt. die 50-jährige Tochter eines Straßenbahners aus Mülheim an der Ruhr, die sich (gemäß ihrer Online-Hagiografie) keine amerikanischen Markenjeans leisten konnte, sondern im Jeansverschnitt der Billigmarke „Jinglers“ herumlaufen musste, schaffte als Erste in ihrer Familie das Abitur. Es folgte ein Studium der Ökonomie (Abschluss 1989), ein Ausflug in die Welt der Unternehmensberatung – und dann 1994 der (vergleichsweise späte) Beitritt zur SPD. 2001 wurde Kraft als Ministerin in die Landesregierung geholt, 2007 übernahm sie bei der Landespartei das Ruder, seit 2010 ist sie Chefin einer rot-grünen Minderheitsregierung – die nun mit einer komfortablen Mehrheit ausgestattet wurde.
la[AP]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2012)