Mit NRW gehen Merkels gute Karten langsam verloren

Mit NRW gehen Merkels gute Karten langsam verloren
Mit NRW gehen Merkels gute Karten langsam verloren(c) EPA (MAURIZIO GAMBARINI)
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Die CDU fuhr im einwohnerstärksten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Sollte sich eine Rot-Grüne Mehrheit ausgehen, wäre der Schaden für die Christdemokraten noch größer.

DÜSSELDORF/AG/RED. Die im Bundestag vertretenen deutschen Parteien beraten am Montag in Berlin über Konsequenzen aus der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Für die CDU ist es die erste herbe Niederlage seit Jahren. Die deutschen Christdemokraten verloren am Sonntag im bevölkerungsreichten deutschen Bundesland deutlich. 2010 wurde sie mit 34,6 Prozent noch knapp stärkste Partei. Diesmal erreichte sie laut Hochrechnung nur noch 26,3 Prozent.

Die SPD konnte von 34,5 Prozent auf 39,1 Prozent zulegen. Die bisherige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist damit in ihrem Amt bestätigt. Die Grünen kamen auf 11,3 Prozent (2010: 12.1%). Neuerlich dürfte die FDP mit 8,6 Prozent (2010: 6,7%) der Stimmen knapp den Einzug in den Landtag geschafft haben. Das rot-grüne Bündnis, das bisher das Land regierte geht damit gestärkt aus den Wahlen und wird künftig über eine klare Mehrheit im Landtag verfügen. Die Piraten erreichten mit 7,8 Prozent erneut den Einzug in einen Landtag, den sie 2010 mit 1,6 Prozent verpasst hatte. Die Linkspartei, die 2010 noch 5,6 Prozent erreicht hatte, scheiterte mit 2,5 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde.

Allen Warnungen zum Trotz hatte CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen am vergangenen Freitag noch einmal die Wahl in Nordrhein-Westfalen zur Abstimmung über den Europakurs der deutschen Kanzlerin Angela Merkel erklärt. Eine taktische Fehlleistung, wie sich nun herausstellt. Denn nun, da die CDU vor ihrem schlechtesten Wahlergebnis in diesem Bundesland steht, dürfte auch die bisher so unangreifbare Kanzlerin Schaden abbekommen. Bisher war die deutsche Kanzlerin eine der wenigen europäischen Regierungschefs, denen die Krise nichts anhaben konnte. Merkels Linie galt als glaubwürdig und authentisch.

Da Rot-Grün nun über eine Mehrheit verfügen, ist der Schaden für die Christdemokraten noch größer. Denn damit wid für die CDU ein ganz guter Trend durchbrochen. Bei den Wahlen seit vorigem September in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, im Saarland und in Schleswig-Holstein waren entweder die Linke oder die Piraten oder beide zusammen so stark, dass es für Rot-Grün nicht reichte. In Berlin kam die CDU dadurch unverhofft in die Regierung. Rot-Grün in NRW ist ein Signal für eine mögliche Wende, auch wenn es bis zu Bundestagswahl noch 16 Monate sind.

Norbert Röttgen hat es „versemmelt"

„Röttgen hat das Ding versemmelt", kommentierte ein Parteifreund des CDU-Politikers aus einer anderen Landesregierung. „Mehr kann man da eigentlich nicht mehr falsch" machen. Übel genommen dürfte dem Bundesumweltminister auch werden, dass er sich mehr als ein Hintertürchen nach Berlin offen ließ und sich nicht eindeutig zu einer landespolitischen Rolle bekannte. Nun musste er wegen Erfolglosigkeit als Landesparteichef den Hut nehmen. Er zog bereits am Wahlabend die Konsequenzen und trat zurück. Ein Trost für die Regierung ist das relativ gute Abschneiden der FDP. Sie konnte damit erstmals wieder einen klaren Zugewinn verzeichnen. FDP-Spitzenkandidat und Landeschef Christian Lindner könnte nun Gerüchten zufolge mehr Gewicht in der Bundespartei erhalten. Lindner könnte sogar FDP-Vizevorsitzender werden. Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) habe Lindner für höhere Aufgaben empfohlen. "Christian Lindners Triumph ist ein Erfolgsmodell für die FDP", sagte die Vize-Parteivorsitzende der Tageszeitung "Die Welt" vom Montag. "Klare Haltung, nicht Umfallen, mit diesem Stil gewinnt die FDP."


Und Merkels Europapolitik? Nordrhein-Westfalen stand für die Kanzlerin schon 2010 im Schatten der Griechenlandkrise. Damals hatte sie wochenlang mit einer Zusage für ein Hilfspaket gezögert, weil sie wusste, dass dies einen Erfolg in Düsseldorf zunichte machen könnte.

Wenige Tage vor der Wahl bleib Merkel aber nichts anders übrig, als gemeinsame mit den EU-Partnern 110 Milliarden Euro für Athen freizugeben. Als sie danach in den Wahlkampf für den politisch wichtigen Landtag zurückkehrte, erntete sie Pfiffe. Ihre Glaubwürdigkeit war belastet. Danach hatte Merkel innenpolitisch durch ihre Politik harter Sparauflagen für Griechenland und die weiteren Krisenländer wieder punkten können. Doch diesmal, gerade vor den vorgezogenen Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen hat sich die Lage in Griechenland erneut verschärft und viele fragen sich, ob der Merkel-Kurs in der Krise wirklich der einzig gangbare, richtige war. Die härte der Regierung gegenüber verschuldeten Ländern war bisher populär. Nun brechen aber Deutschland selbst die Exporte in südeuropäische Länder weg. Das Sparen der Griechen, der Spanier, der Italiener droht zum Bumerang zu werden.

In dieser Verunsicherung liefen einige CDU-Wähler wohl auch zu den Piraten über. Der neuerliche Einzug der Piraten in einen Landtag nach Berlin, Saarland und Schleswig-Holstein setzt einen Trend fort, der allen etablierten Parteien schadet. Überraschend ist auch diesmal, dass die Piraten ohne jegliche klare Positionierung in aktuellen Fragen der Landespolitik punkten konnten. Spitzenkandidat Joachim Paul hatte im Wahlkampf sogar offen eingeräumt, seine Partei habe bei einigen Themen noch keine festen Positionen und wolle erstmal in der Opposition „lernen". Zu den Schwerpunktthemen gehörten im Wahlkampf Schule, Bildung, Kindertages-Plätze, Energie- und Industriepolitik, Arbeit sowie Haushalten und Sparen.

Nachdem das rot-grüne Budget am 14. März an der geschlossenen Opposition von CDU, FDP und Linken gescheitert war, hatte sich der Landtag erstmals in seiner Geschichte aufgelöst und damit die Neuwahl nötig gemacht. Sowohl SPD als auch Grüne haben bereits im Wahlkampf angekündigt, sie wollen ihr bisheriges Regierungsbündnis in Düsseldorf fortsetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2012)

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