Die Parteien sind bankrott – und beschließen Parteienbonds

Die Großparteien sind bankrott. Der finanzielle Aspekt dieser Diagnose ist das geringere Problem: Man bekommt es durch moralische Insolvenz leicht in den Griff.

Unter den Dingen, die bei der Generation der unter Vierzigjährigen zu einer ziemlich umfassenden Verachtung von allem geführt haben, was nach Politik riecht, rangiert das pausbäckige Schlaumeiertum unserer sogenannten Spitzenpolitiker ganz weit oben. Da sitzen sie, ästhetisch und habituell ungefähr so zeitgenössisch wie ein türkisefarbener Ski-Overall mit orangen Quasten, mit ihrer schönsten Unschuldsmiene vor den TV-Kameras, präsentieren der Welt ihr kindliches Stoßlachen, haben rote Ohren und möchten Purzelbäume schlagen vor Freude darüber, dass offensichtlich niemand den Schmäh durchschaut hat, den sie gerade als allerneueste Weltbestzeit im politischen Anstandslauf präsentiert haben.

Der neueste Schmäh heißt Neuregelung der Parteienförderung. Man tut so, als stünde der transparente Umgang mit Parteispenden im Mittelpunkt und schleust mit diesem kleinen Ablenkungsmanöver den eigentlichen Zweck der Übung an der Aufmerksamkeit des Publikums vorbei: Schlappe 60 Prozent mehr öffentliches Geld für die Parteien allein auf Bundesebene. Das Motiv ist nachvollziehbar: Ohne diese Finanzspritze könnten vor allem die beiden Regierungsparteien – die Opposition schweigt vielsagend – nicht nur im kommenden Jahr keinen Wahlkampf führen, sie wären einfach bankrott.

Wären?

Nein, sie sind bankrott. Und der finanzielle Aspekt an dieser Diagnose ist dabei noch das geringere Problem. Das bekommt man, wie sich gerade zeigt, durch moralische Insolvenz in den Griff.

Mit dem Geld, das die Parteipolitiker einander gerade wieder zuschanzen, werden Plakate gedruckt und affichiert, auf denen Politiker abgebildet sind, die aussehen wie aus einer anderen Welt, und auf denen Texte stehen, deren Sinnfreiheit zur Meditation einlädt. Politische Werbung, wie sie von den Großparteien immer noch verstanden und umgesetzt wird, kann von denkenden Gemütern nur noch als Realsatire betrachtet werden.

Der Rest des zusätzlichen Geldes wird nicht in den Schuldenabbau fließen, sondern in die Finanzierung der fetten Strukturen, die längst nicht mehr der Befriedigung der Nachfrage nach politischen Inhalten und Strategien dient, sondern der Schaffung eines breiten Angebots an Bedeutungssurrogaten, mittels derer die narzisstischen Auffälligkeiten der Akteure rezeptfrei behandelt werden können. Würde Griechenland so agieren wie die ÖVP, müsste man wohl damit rechnen, dass die österreichische Finanzministerin das Land eigenhändig aus der Europäischen Union entfernt. Die SPÖ kann sich wenigstens darauf berufen, dass derzeit in ganz Europa die Zeichen eher auf Ausgabenwachstum stehen.

Was mit dem Geld passiert, das in die politischen Parteien und ihre Bürokratien fließt? Es gewährleistet den dauerhaften Bestand der Illusion, dass die Menschen da draußen nach der Aufmerksamkeit und der Zuwendung der Politiker gieren. Tatsächlich tun die Menschen da draußen in der wirklichen Welt aber alles andere, als nach der Aufmerksamkeit von altbackenen Komfortzonenbewohnern zu gieren. Also müssen die Funktionäre der unteren Ebenen für die Aufrechterhaltung der potemkinschen Bedeutungskulissen für die Funktionäre der oberen das Volk ersetzen. Bezahlte Statisterie sozusagen. Fragen Sie einen Filmproduzenten, was passiert, wenn jeder Statist die Hälfte einer Regisseursgage bezieht.


Die immer lauter werdende Klage, die um sich greifende Verachtung des traditionellen politischen Betriebs könne über kurz oder lang zu einer Gefährdung der demokratischen Grundordnung selbst führen, darf man indes getrost ignorieren. Die Warnung vor dem Chaos, das ein Ende ihrer Macht bedeuten würde, war immer das wichtigste Argument von Machtfiguren, die in Legitimationsnöte geraten.

Keine Sorge, die Menschen interessieren sich immer noch für Politik. Sie haben nur die Nase voll von der Spielart von „Politik-Politik“, die in ihrer Fixierung auf das eigene Agieren und Taktieren den Kontakt zur politischen Realität verloren hat. Diese Politik-Politik ist bankrott – und genehmigt sich gerade kostenlose Politikbonds.

E-Mails an: michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2012)

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