Der Hardliner in Israels Außenamt

Er forderte die Todesstrafe für arabische Abgeordnete, die mit »Feinden« reden, und drohte, den Gazastreifen dem Erdboden gleichzumachen. Außenminister Avigdor Lieberman zählt in seiner Heimat Israel zu den umstrittensten Politikern. Für »unerträglich« hält ihn nicht nur Österreichs Verteidigungsminister Darabos.

So kompromisslos sich Israels Premier Benjamin Netanjahu der Welt und vor allem den Palästinensern präsentiert – Außenminister Avigdor Lieberman weiß ihn an Radikalität noch stets zu überbieten. Als „unerträglich“ bezeichnete ihn Österreichs Verteidigungsminister Norbert Darabos jüngst. Eine Haltung, die viele von Liebermans Landsleuten teilen. Israels Chefdiplomat eckt an mit seinen provokanten Aussagen, wobei manch ein Beobachter gerade die Polemik Liebermans als das Geheimnis seines Erfolges vermutet. Gegenüber dem Iran müsse man „kompromisslos“ vorgehen, um zu verhindern, dass das Land in den Besitz einer Atombombe gelangt, fordert Lieberman. Arabische Knesset-Abgeordnete sollten vor Gericht gestellt und notfalls gar zum Tode verurteilt werden, wenn sie mit „feindlichen Gruppen“ Kontakt unterhalten. Und der Gazastreifen solle „dem Erdboden gleichgemacht“ werden.

„Unsagbarer Schaden“. 2003 gab es im israelischen Parlament Knesset heftige Auseinandersetzungen über eine angebliche Aussage Liebermans, man solle von Israel freigelassene palästinensische Gefangene in ihren Bussen an einen Ort bringen, von dem „sie nicht mehr zurückkehrten“, ja, sie am besten im Meer ertränken. Lieberman und seine rechtsnationale Partei „Israel Beteinu“ („Israel ist unser Heim“) machten sich auch immer wieder für einen „Transfer“ israelischer Araber aus Israel stark – in der gemäßigteren Form durch einen Gebietsaustausch mit den Palästinensergebieten.

„Der Außenminister fügt Israel mit seinen Aussagen unsagbaren Schaden zu“, schrieb der schweiz-israelische Analyst Carlo Strenger diese Woche in der linksliberalen „Haaretz“. „Gerade wir, die Juden, haben so oft unter manipulativer Polemik gelitten, die darauf abzielte, den Hass gegen uns zu schüren“, gerade für Israel sei Vorsicht geboten vor „schmutzigen Tricks dieser Art“. Strenger kommentierte Liebermans Reaktion auf die Entscheidung der südafrikanischen Regierung, Produkte, die in den jüdischen Siedlungen im Westjordanland hergestellt werden, künftig zu markieren. Südafrika sei schon jahrelang ausgesprochen anti-israelisch eingestellt, hatte Lieberman erklärt und bedauert, dass „ausgerechnet ein Land, das so lange unter Rassismus gelitten hat, dieselbe Haltung gegenüber Israel einnimmt“.

Treueschwur für Staatsbürger. Aus den Reihen der „Israel Beteinu“ stammt auch die Gesetzesvorlage für den Treueschwur, den jeder ablegen muss, der Staatsbürger werden will. Dabei bleibt sich Lieberman auch selbst treu. Der aus Moldawien eingewanderte 54-Jährige war schon immer radikal. Was sich verändert, ist die israelische Öffentlichkeit, die langsam näher an die Position des Außenministers heranrückt. 11,5 Prozent erreichte er bei den letzten Wahlen, das sind 15 Mandate in der Knesset. In der Regierung hält seine Partei nicht weniger als fünf Sitze, darunter die prestigeträchtigen Ministerien Außenpolitik, Nationale Infrastruktur und Nationale Sicherheit.

Ohne Charme, aber professionell. In seiner Heimatstadt Chisinau hat er als Türsteher eines Nachtklubs gearbeitet. Rein äußerlich würde man ihm den Türsteher auch heute noch abkaufen. Auch auf Veranstaltungen der eigenen Partei bleibt Lieberman kühl und ohne jeden Charme. Gleichzeitig ist er inhaltlich professionell, vermittelt über Strecken einleuchtende Botschaften, wenn er das religiöse Establishment angreift, das mehr als jede andere Gesellschaftsgruppe vom Staat gefördert wird, ohne die bürgerlichen Pflichten zu teilen. Die „Israel Beteinu“ plädiert dafür, die staatlichen Zuwendungen all jenen zu entziehen, die keinen Militärdienst leisten.

Lieberman selbst fällt in Sachen militärische Heldentaten weit hinter seine Mitstreiter zurück. Ehud Barak, Verteidigungsminister und früherer Stabschef, ließ sich – frustriert über den Wahlerfolg Liebermans – dazu hinreißen, zu fragen, ob dieser denn überhaupt je eine Waffe in der Hand gehalten habe, um damit auf einen Menschen zu schießen. Liebermann ist eher Geschäftsmann als Kämpfer, wobei die Grenzen zum Politiker nicht immer klar abgesteckt sind. Die ersten Schritte als Politiker unternahm er unter den Fittichen Benjamin Netanjahus, der als Premier nach gewonnener Wahl seinen damaligen Parteifreund zum Chef seiner Kanzlei machte. Kaum ein Jahr dauerte das Bündnis, bis Lieberman eine politische Auszeit nahm und anfing, Geld zu verdienen.

Der „Neureiche“. „Er gab sich wie ein Nouveau riche“, schrieb der „Haaretz“-Reporter Gidi Weitz. „Er rauchte Zigarren, unterhielt ein luxuriöses Büro in Jerusalem und besaß einen neuen Volvo samt Fahrer.“ Parallel zu seinen Geschäften bereitete der verheiratete, dreifache Vater sein politisches Comeback vor und gelangte 1999 mit vier Sitzen für die neu gegründete „Israel Beteinu“ ins Parlament und die Regierung. Lieberman wurde Minister für Verkehr und für die Nationale Infrastruktur. In dieser Zeit soll er Schmiergelder im Umfang von hunderttausenden US-Dollar kassiert haben. Lieberman verbindet eine enge Freundschaft zum österreichischen Geschäftsmann Martin Schlaff. Das dürfte mit ein Grund für Liebermans Liebe zu Österreich sein. Keine Reise führt in seine alte Heimat ohne Zwischenstopp in Wien.

Im vergangenen Monat kündigte der israelische Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein an, „innerhalb von wenigen Wochen“ Anklage gegen Lieberman zu erheben. Dabei wird es nur um Betrug und Geldwäscherei gehen, denn bei dem Verdacht der Korruption reichte der Staatsanwaltschaft das Beweismaterial nicht aus. Lieberman wird vorgeworfen, Scheinfirmen im Ausland gegründet zu haben, über die er Geldsummen in Millionenhöhe kassiert habe. Der Politiker gibt sich zuversichtlich: Er habe ein reines Gewissen.

Kantone ohne Zentralregierung. In den vergangenen Monaten machte der Außenminister seinem früheren Förderer Netanjahu das Leben nicht leichter. Er drohte mit dem Ausstieg aus der Regierung, sollten illegale Siedlungsbauten geräumt werden, wie es der Oberste Gerichtshof angeordnet hatte.

Der Außenminister lebt selbst in einer Siedlung. Obwohl ihn keine religiösen Beweggründe antreiben, ist er nicht für den Abzug aus Gebieten des biblischen Eretz Israel bereit. Die Zukunft des Westjordanlandes schwebt ihm in Form von vier voneinander getrennten Kantonen vor, ohne zentrale Regierung und ohne Verkehrsverbindungen. Unter seiner Prämisse wäre sogar ein Landtausch durchaus denkbar. Dabei würde Lieberman dem palästinensischen „Gebilde an der Seite Israels“ gern die von israelischen Palästinensern besiedelten Städte und Ortschaften geben. Die arabischen Araber sind es, seiner Meinung nach, die die Zukunft Israels bedrohen.

„Lieberman sagt, was viele Leute denken“, schreibt der linke Kolumnist der „Haaretz“, Gideon Levy. Er findet, dass der Außenminister doch auch etwas Gutes habe: Mit ihm in der Regierung werde zumindest eine Maskerade unmöglich, und der Versuch, sich als liberale Koalition zu präsentieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Was Österreichs Beziehung zu Israel schon ausgehalten hat

Bruno Kreisky, Kurt Waldheim, Jörg Haider: Drei Namen, die das alles andere als einfache Verhältnis illustrieren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.