Europas Linke: "Insgesamt kommt da einiges ins Wanken"

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Europas Linke Insgesamt kommt(c) Presse Digital (Andreas Laux)
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Swoboda (SPÖ) und Gysi (Linke) diskutierten zur Zukunft von Europas Linksparteien: Eine starke Linke brauche es, die ertrage aber keinen Erfolg. Kapitalflucht aus Griechenland müsse verhindert werden.

Eigentlich sollte Hannes Swoboda, Fraktionschef der Europäischen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, am Dienstagabend im Wiener Radiokulturhaus zum Thema einer „Linkswende in Europa" diskutieren. Der zweite Gast, der zur "Ö1-Gesprächsreihe Im Klartext" geladen war, zog zunächst aber die Aufmerksamkeit auf sich: Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Partei "Die Linke" im deutschen Bundestag, musste zur aktuellen Führungskrise seiner Partei Stellung beziehen. „Wir entsprechen einer linken Tradition und sind daher dabei, uns selbst zu zerstören", sagte Gysi und hatte damit eine einfache Erklärung für den zerfleischenden internen Kampf des Parteigründers Oskar Lafontaine mit dem linken Gewerkschaftsflügel um Dietmar Bartsch. Am kommenden Parteitag in Göttingen dieses Wochenende will Gysi mit einer Rede zur Einigung beitragen.

Linke Bewegungen sieht er in Europa dennoch klar auf dem Vormarsch und verwies auf die gebrochene Dominanz der konservativen deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Ihr Partner in Europa, Nicolas Sarkozy, sei bei den französischen Präsidentschaftswahlen für seine Europapolitik abgestraft worden und auch der innerdeutsche Regierungspartner, die FDP, breche weg. „Insgesamt kommt da einiges ins Wanken", so Gysi.

Sein österreichischer Polit-Kollege Swoboda stimmte zu, wollte aber vor allem das Erfordernis einer linken Wende betonen. Im Hinblick auf das Elend in Griechenland sei ein Kurswechsel in der Politik notwendig. Es brauche Wachstumsimpulse und Strukturreformen, wie die Kontrolle der Kapitalflucht aus Griechenland hinaus, nicht nur Forderungen nach Sparanstrengungen an die Griechen.

Steuer an Staatsbürgerschaft binden

Sowohl Gysi als auch Swoboda sprachen sich für eine Bindung der Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft eines Landes aus und ernteten dafür den Applaus des Publikums. Gysi nannete die USA als Vorbild. Diese hätten Steuerflucht mit der Maßnahme erfolgreich bekämpft.

Beide Politiker beklagten, dass die Ursache der europäischen Schuldenkrise in der hohen finanziellen Unterstützung für die Banken gelegen habe und wollten daher lieber von einer Finanz-, denn von einer Schuldenkrise sprechen. In Bezug auf Griechenland mochte Swoboda der Finanzwelt dann aber doch nicht uneingeschränkt die Schuld zuschreiben. Man müsse bei den Fakten bleiben, mahnte er Gysi. Griechenland habe „sich überschuldet und über seinen Verhältnissen gelebt".

Die Krise im griechischen Wohnzimmer

Gysi äußerte Unverständnis darüber, dass maroden Ländern in der EU nicht mittels direkter Finanzhilfen geholfen werde. Stattdessen würde privaten Banken günstig Geld geborgt, das diese wiederum gewinnbringend zu höheren Zinsen an die europäischen Partner weitergeben könnten. Die politische Kontrolle über Banken müsse wiedergewonnen werden und diese dürften keine Größe erreichen, bei der das System ihnen unterworfen sei. Als Lösung bezeichnete Gysi eine Organisation des Bankenwesens nach öffentlich-rechtlichen Kriterien - die Sparkassen seien hier ein positives Beispiel.

Die Zeit der linken Parteien sei gekommen, wenn die Krise nicht nur abstrakt erscheine, „sondern ins Wohnzimmer" komme, so Gysi. In Griechenland sei die Krise bereits "konkret", deshalb wählten die Griechen einen neuen politischen Stil.

Sollte die radikale griechische Linke (Syriza) unter Alexis Tsipras bei den Neuwahlen Mitte Juni in die Regierung gewählt werden, würde sie mit Europa verhandeln, und keineswegs alle Forderungen der EU zurückweisen, so Gysi über die griechische Schwesterpartei seiner Linken. Auch Swoboda sagte: „Nach der Wahl wird es Herrn Tsipras billiger geben, er wird Reformen durchsetzen."

"Wir Linke ertragen den Erfolg nicht"

Ein Abschied der Griechen von der gemeinsamen Währung Euro jedenfalls hätte fatale Folgen. Gysi: "Wenn Griechenland aus dem Euro fliegt, dann greifen sich die Ratingagenturen auch Portugal." „Und Italien und Spanien", ergänzte Swoboda.

Linke Bündnisse in Europa wollen beide Politiker unterstützen, Swoboda gerade aktiv bei Gesprächen in Griechenland. Von einer linken Wende zeigte er sich überzeugt und setzte zu einem mächtigen Schlusswort an: „Wir brauchen eine starke Linke." Gregor Gysi allerdings vermasselte die pointierte Dramatik. Er verwies erneut auf die Krise in der Parteispitze seiner deutschen Linkspartei und sagte: „Wir Linke ertragen den Erfolg nicht."

(Red.)

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