Nagl: Gentleman mit Machtinstinkt und Spitznamen „Milupa“

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Siegfried Nagl, 49, will Bürgermeister von Graz bleiben – mithilfe der SPÖ. Der Grazer Bürgermeister gilt als volksnah und zugänglich. Bei den Grazern ist der 49-Jährige durchaus beliebt.

Graz. Oft sieht man Siegfried Nagl in der Grazer Altstadt spazieren. Von seinem Arbeitsplatz, dem Rathaus am Hauptplatz, zum Unternehmen seiner Familie in der Herrengasse. Die Distanz zwischen Rathaus und dem Geschirrfachhandel Klammerth beträgt nicht einmal 100 Meter. Selten kann der „Sigi“ diese zurücklegen, ohne angesprochen zu werden. Der Grazer Bürgermeister gilt als volksnah und zugänglich. Bei den Grazern ist der 49-Jährige durchaus beliebt.

Als zugänglich würde Lisa Rücker ihn nicht gerade beschreiben. Über vier Jahre lang bildete die Vizebürgermeisterin mit ihren Grünen eine Koalition mit Nagls ÖVP in der Stadtregierung. Eine Freundschaft ist nie entstanden. „Wir hatten immer einen sehr respektvollen Umgang miteinander“, sagt Rücker zur „Presse“. Auf ein Glas Wein sei man aber nie gegangen. Das wird sich nicht ändern. Nagl hat am Mittwoch die Koalition jäh beendet. Vorgewarnt hat er seine Koalitionspartnerin nicht. Per Telefon und nur wenige Minuten, bevor Nagl die Medien informierte, teilte er Rücker seine Entscheidung mit.

Es war ein Ende, wie es zu Nagl nicht passt. Ein Gentleman der alten Schule sei er, heißt es: zuvorkommend, höflich, ein Charismatiker. Vielleicht wird sein Name auch deshalb manchmal genannt, wenn es um die Frage geht, wer die Bundes-ÖVP führen könnte. Wahrscheinlich ist das nicht. Ausgeschlossen aber auch noch nicht. Denn Nagl hat einen ausgeprägten Sinn für Macht. Das war auch der Grund, wieso er die Koalition mit den Grünen acht Monate vor der Gemeinderatswahl beendet hat.

Bei Themen, die in Graz seit Jahren heftig diskutiert werden – Verkehrspolitik, Reininghausgründe, Murkraftwerk – gab es zuletzt immer weniger Konsens in der Koalition. Der Druck, vor allem vom Wirtschaftsbund, die Grünen vor die Tür zu setzen, um sich vor der Wahl freizuspielen, wurde größer.

Nagl nämlich ist ein Mann des Wirtschaftsbundes. Sein erstes politisches Amt trat er 1996 als Vizeobmann des Grazer Wirtschaftsbundes an. Zuvor hat er BWL in Graz studiert, mit 24 wurde er Geschäftsführer des Familienbetriebes. Während des Studiums wurde er Mitglied in der katholischen Studentenverbindung „Carolina“. Dort bekam er den Couleurnamen „Milupa“, der wohl auf sein jugendliches Aussehen zurückzuführen ist.

Der Bürgermeister gilt als wertkonservativ. Über Homosexuelle sagte er einmal, „der Glaube könnte für diese Menschen vielleicht dazu führen, dass sie mit dieser Form des Zusammenlebens aufhören“. Rücker, die in einer Partnerschaft mit einer Frau lebt, meinte allerdings, Nagl sei lernfähig.

Dritte Amtszeit im Visier

Der Bürgermeister glaubt jedenfalls zu wissen, was die Grazer wollen – zum Beispiel keine Umweltzone. Auch deswegen dürfte er acht Monate vor der Wahl die Reißleine gezogen haben. Dazu passt, dass er nach der steirischen Landtagswahl 2010 einen neuen Politikstil eingefordert hat: keine Untergriffe mehr. Das Vertrauen in die Politik müsse wiederhergestellt werden. Vor allem durch mehr Mitbestimmung – siehe Bürgerbefragung zu den Reininghausgründen. Diese will Nagl nun mithilfe der SPÖ durchziehen. Um dann mit einer schwarz-roten Koalition seine dritte Amtszeit als Bürgermeister anzutreten.

Ob er den Rekord seines Vorgängers und Mentors Alfred Stingl brechen kann, wird sich erst weisen. Stingl war von 1985 bis 2003 Grazer Stadtchef. Der SPÖ-Politiker hat den jungen ÖVP-Nachwuchs stets gefördert – und Nagl 1998 zum Finanzstadtrat gemacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2012)

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