Russland feiert einen neuen Superstar. Der 21-jährige Alan Dsagojew steht nach dem 4:1 gegen Tschechien im Rampenlicht.
Dass der erste Doppeltorschütze der EM noch immer in der russischen Liga bei ZSKA Moskau kickt, hätte vor knapp vier Jahren niemand für möglich gehalten. Als Alan Dsagojew im Oktober 2008 im WM-Qualifikationsspiel in Dortmund gegen Deutschland mit 18 Jahren und 116 Tagen zum zweitjüngsten Teamspieler der „Sbornaja“ avancierte und bei einem Stangenschuss fast noch das 2:2 erzielt hätte, schien eine baldige große Zukunft in einer Topliga vorgezeichnet.
Der dribbelstarke Offensivspieler galt in Russland als Supertalent und machte Klubs wie Real Madrid, AC Milan oder Juventus auf sich aufmerksam, ehe eine Stagnation einsetzte. Die könnte nun mit seinen beiden Treffern für Russland beim 4:1 in Breslau gegen Tschechien beendet sein.
Dsagojew hat bei der EM die Chance, eine „Seuchensaison“ doch noch erfolgreich zu Ende bringen. In 48 Pflichtspielen für ZSKA traf der 21-Jährige nur sechsmal, zu allem Überdruss warf ihn im März ein Zehenbruch wochenlang zurück. Schon im Vorjahr war es für Dsagojew nicht nach Wunsch gelaufen, außerdem leistete er sich eine disziplinäre Verfehlung.
Im Mai 2011 tätigte er laut Vereinsangaben eine „unkorrekte Aussage“ in Richtung Trainer Leonid Sluzkij. Dsagojew wurde zu den Amateuren verbannt, ein Verkauf um sieben Millionen Euro an Lok Moskau stand unmittelbar bevor. Schließlich entschuldigte sich der „Bad Boy“ und schaffte wieder den Sprung in die Kampfmannschaft von ZSKA, für die er bereits 2008 als 17-Jähriger spielte. Damals reiste Dsagojew des Öfteren mit der Metro zum Training, was ihm das Image eines bodenständigen Kickers einbrachte.
Abramowitsch-Akademie. Dazu trug auch seine Herkunft bei: Der mittlerweile 22-fache Internationale (sechs Tore) wuchs in der nordossetischen Stadt Beslan nahe der georgischen Grenze auf, in seiner Kindheit war die fußballbegeisterte Mutter seine größte Förderin. Bevor er 2006 zu Sowetow und zwei Jahre später zu ZSKA ging, war er für die Konopljow-Akademie von Roman Abramowitsch im Einsatz.
Sollte Dsagojew weiterhin so groß aufspielen, könnte er wieder beim russischen Milliardär landen – als Spieler von Chelsea.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2012)