Gruppe B. Deutschland bezwang Holland mit 2:1 und darf Vorkehrungen für das Viertelfinale treffen.
Charkiw/Wien „Schade Holland, alles ist vorbei.“ Ein Schmähruf der deutschen Fans, ein echter Klassiker, der Mittwochabend in Charkiw wieder an Aktualität gewann. Nichts war vom holländischen Anhang zur Halbzeit zu hören, einige Pfiffe ausgenommen. Von einer „einzigartigen Generation“ sprach Mark van Bommel, der Kapitän der Oranje, im Vorfeld des Nachbarschaftsduells. Nach zwei Gruppenspielen und dem bevorstehenden Ausscheiden scheint am holländischen Team rein gar nichts mehr einzigartig zu sein.
Vielleicht hätte das Spiel einen völlig anderen Verlauf genommen, hätte Robin van Persie den weiten Pass von Van Bommel kontrollieren und Torhüter Neuer bezwingen können (7.). Doch der Konjunktiv schießt keine Tore, Deutschland schon. In der 24. Minute setzte Schweinsteiger Mario Gomez perfekt ins Szene. Eine Körperdrehung, ein Schuss, ein Tor. Der Bayern-Angreifer vollendete in Weltklasse-Manier. Holland suchte Antworten, fand aber keine. Flügelflitzer Robben war bei Lahm bestens aufgehoben, auch Sneijder wollte nichts Geniales in den Sinn kommen. Gomez schon. Schon wieder. Den Blick für das Wesentliche hatte erneut Schweinsteiger, der den 26-Jährigen den Ball gekonnt in den Lauf spielte. Gomez' Schuss ließ das Netz zappeln. Schlussmann Stekelenburg blickte ungläublig in den ukrainischen Nachthimmel, der sich für Holland immer mehr verdunkelte.
Ein Aussortierter schlägt zurück
Dass ausgerechnet Gomez zum erneuten Matchwinner mutierte, ist schlicht Ironie des Schicksals. In Fußball-Deutschland wurde vor der EM heftigst diskutiert, wer in der Abteilung Angriff von Joachim Löw den Vorzug erhalten sollte. Auch der Teamchef geriet ins Grübeln. Letztlich war es wohl nur der mangelnden Fitness von Löws Liebkind Miroslav Klose verdankt, dass Gomez gegen Portugal seinen Platz in der Startelf bekam. Als Klose schon zur Einwechslung bereitstand, traf sein Kollege und Kontrahent zum 1:0. Fast schon amüsant, dass Holland durch Van Persie (73.) just dann den 1:2-Anschlusstreffer erzielte, als Klose für Gomez ins Spiel kam (72.).
Deutschland wackelte mit Ende des Spiels, fiel aber nicht und darf für den weiteren Turnierverlauf auf einen Stürmer in Topform bauen. Ein Umstand, der gewiss auch Angela Merkel freut. Deutschlands Kanzlerin blieb dem Spiel wie die übrige Politspitze aus beiden Lagern aus politischen Gründen fern.
Niederlande: Stekelenburg; Van der Wiel, Heitinga, Mathijsen, Willems; Van Bommel (46. Van der Vaart), De Jong; Robben (83. Kuyt), Sneijder, Afellay (46. Huntelaar); Van Persie
Deutschland: Neuer; Boateng, Badstuber, Hummels, Lahm; Schweinsteiger, Khedira; Müller (92. Bender), Özil (81. Kroos), Podolski; Gomez (72. Klose).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2012)