Frau fürs Grobe: Die Fekter-Falle

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FekterFalle(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Der "einzige Mann" in der Regierung, mit Zug zum Fettnapf im In- und Ausland: Ist die Finanzministerin mit der losen Zunge Hoffnungsträgerin oder Sargnagel der ÖVP? Dazu gibt es geteilte Meinungen.

Italiens Premiersitz, Frankreichs Élysée: Kaum jemanden im europäischen Ausland – und kaum jemanden auf den Finanzmärkten – ließ Maria Theresia Fekter, seit April 2011 Finanzministerin des Landes, diese Woche kalt. Schon gar nicht die inländische politische Konkurrenz. Und sogar in den ÖVP-eigenen Reihen gingen die Wogen hoch – dort erst recht, könnte man sagen. Mal wieder. Denn: Maria Fekter ist keine Frau der leisen, der diplomatischen Worte. Sie drückt sich klar und deutlich aus, sagen die einen – zu deutlich oder jedenfalls ungeschickt, sagen die anderen. „Es kann sein, dass es da zu Hilfsunterstützungen kommen kann“, mit dieser Aussage im ORF-Fernsehen Anfang der Woche über Italiens möglichen Bedarf nach einer gemeinschaftlichen Euro-Hilfe regte Fekter praktisch alle auf.

In der ÖVP gibt es dazu geteilte Meinungen; es ist ein schizophrenes Verhältnis, das die VP zu ihrer mächtigsten Politikerin pflegt: erste Finanzministerin im Land, das ist schon was. Als solche steht sie für die Partei neben dem Vizekanzler am häufigsten im Rampenlicht, als solche spielt sie eine große Rolle im In- und Ausland, vor allem in der EU, auf Du und Du mit Schäuble und Co. Aber macht sie das wirklich so gut – und so sensibel –, wie sie das sollte und wollte? Sie wolle nach ihrer Zeit als Hardlinerin im Innenministerium ihren „Ton mäßigen“ – „denn Finance ist etwas anderes als die Kieberei“, das jedenfalls hat sie selbst im April 2011 bei ihrer Übersiedlung vom Ministerium in der Herrengasse in jenes in der Zollamtsstraße angekündigt. Zu viel versprochen?

Für die einen ist Fekter heute die Hoffnungsträgerin, für die anderen der Sargnagel der Volkspartei. Wobei sich „ihr“ Parteichef Michael Spindelegger weiter hinter sie stellt. Offiziell zumindest, im Hintergrund soll er auch schon wiederholt mit seiner „Frontfrau“ in der Regierung gehadert haben – oder wenigstens mit ihren „Sagern“.


Loyalität vor loser Zunge. Aber nie ernsthaft. Denn er schätze ihre erhebliche Loyalität, heißt es – eine „Loyalität bis zur Selbstaufgabe“ nennt das der Politologe Peter Filzmaier. Wobei Spindelegger Fekter wohl auch deshalb schätze, weil sie im Finanzministerium – in Zeiten der Eurokrise das eigentliche Machtzentrum einer nationalen EU-Regierung neben dem Kanzleramt – dennoch kein zweites und dabei selbstständiges Machtzentrum etabliert hat. Außerdem nehme sie dem Vizekanzler geradezu die Aufgabe ab, unangenehme Dinge auszusprechen.

Nur einmal ging es Spindelegger angeblich wirklich zu weit: Auf ihn soll zurückzuführen sein, dass Fekter sich 2011, nach einem Vergleich zwischen dem Feindbild der Banker und der Reichen mit der Judenverfolgung, entschuldigte: „Wenn sich durch meine Aussagen Menschen oder Gruppierungen verletzt gefühlt haben, bedaure ich das zutiefst“, sagte sie schließlich. Sonst nimmt sie eigentlich nie Abstand von eigenen, früheren Aussagen, im Gegenteil. Auch nach dem Italien-Sager lassen sie und die ÖVP sich nicht verdrießen; nach außen hin jedenfalls nicht. Nur aus dem Wirtschaftsministerium oder, ausgerechnet, aus dem Innenministerium, also Fekters früherer Heimat, klingen mitunter noch kritische Töne nach – die natürlich offiziell abgestritten werden. Auch im Parlament fragen einzelne ÖVP-Abgeordnete, ob es denn notwendig gewesen sei, dass „die Maria mal wieder übers Ziel hinausgeschossen“ ist. Mit Namen zitieren lassen will sich damit aber freilich niemand. Gegenüber Medien heißt es nur fast mantraartig: „Die Maria“ stehe eben für etwas, habe Ecken und Kanten, sie traue sich halt auch was.

Fekter selbst wollte sich Ende der Woche nicht über die Medien zu dem äußern, was manche Kritiker noch höflich als Fauxpas und andere schlicht als eigentlich unverzeihlichen Fehler einer Finanzministerin in der Eurozone gegenüber dem Nachbarland Italien bezeichneten. Sie habe nun einmal „als seriöse Finanzministerin nicht ausgeschlossen, was nicht auszuschließen ist“, ließ darauf ein Pressesprecher verlauten.Was nicht automatisch zur Beruhigung der Lage beitrug.


Frau fürs Grobe. „Die Medien müssten eigentlich froh sein, wenn es nicht nur abgelutschte Personen gibt, sondern solche, die etwas zu sagen haben“, sagt dazu der einstige Klubchef Andreas Khol, ein früherer Förderer Fekters im Nationalrat. Er müsste in etwa wissen, wovon er spricht – immerhin ist er selbst wegen seiner direkten Art auch schon „Zuchtmeister“ genannt worden. Während wiederum sein Schützling mittlerweile seit Jahren als „Iron Lady“ bezeichnet wird, ob in Finanz- oder in Asylangelegenheiten (bei manchen Entscheidungen sei es „egal, ob mich Rehleinaugen aus dem Fernsehen anstarren“, sagte Fekter als Innenministerin etwa zum Fall der Arigona Zogaj).

Was aber bedeutet es wirklich, dass sich die Ministerin selten bis nie ein Blatt vor den Mund nimmt? Können gerade ihre kantigen Sager der strauchelnden Partei – man hält in Umfragen bestenfalls bei 25 Prozent Zustimmung – wieder Aufschwung garantieren? Oder umgekehrt ihr den totalen Absturz bescheren? Ob das „Phänomen Fekter“ der ÖVP nütze oder schade, lasse sich nicht so einfach sagen, meint Filzmaier. So gut wie sicher ist für ihn nur, dass hinter den provokanten Äußerungen Fekters keine Strategie steckt. „Insofern ist sie nicht als Faktor in der Gesamtkommunikation der Partei einzubinden.“ Die politische Konkurrenz – auch die beim Koalitionspartner SPÖ – reibt sich derweil die Hände. Schon wieder ein „Patzer“ der Ministerin, die da und dort auch „Ministerin Schnelle Zunge“ oder „Frau Fettnapf“ genannt wird? Zum eigenen Schaden, also dem der SPÖ, wird es nicht gewesen sein, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Gespalten sieht Hannes Jarolim, SPÖ-Justizsprecher, die Ministerin, die er noch gut aus der gemeinsamen Zeit als Justizsprecher ihrer jeweiligen Fraktionen kennt. So sei Fekter einerseits im persönlichen Gespräch durchaus umgänglich gewesen, aber „wenn sie ein Ziel verfolgt, kann sie unangenehm werden“. Heikel sei es immer geworden, so Jarolim, „wenn sie im breiten Ton Wissen vorgibt, sich aber nach ein paar Sätzen herausstellt, dass die Kenntnisse nicht besonders tief gehen. Dann versucht sie, die Sachen mit Robustheit zu erledigen, und gelangt an die Grenzen der Höflichkeit“.

Auch die Regierungskollegen der eigenen Partei mussten einen solchen Grenzgang eben erst am eigenen Leib erfahren: Sie sei der „einzige Mann“ in der Regierung, sagte Fekter bei der Feier eines Magazins Montagabend. Angeblich nur, weil sie als „Herr Fekter“ geladen war – eine „Peinlichkeit“, der sich männliche Politiker „nie“ stellen müssten, wie sie am Mittwoch erklärte.

Wie gut, dass Fekter mit Spindelegger einem Mann den Vor- und Auftritt als Parteichef lässt – noch jedenfalls. Fekter entspreche „jedenfalls“ dem Wunschbild der ÖVP-Wähler, sagt Khol über seine Polit-Ziehtochter. Und: „Als wir damals Michael Spindelegger auf den Schild gehoben haben, habe ich im Vorfeld viel herumtelefoniert. Die Präferenz für Spindelegger war klar, aber Fekters Namen wurde wahrscheinlich am zweithäufigsten genannt.“

1956
wird Maria Fekter in Attnang-Puchheim geboren. Nach der HAK in Vöcklabruck studiert sie Jus und BWL. Außerdem legt sie die Konzessionsprüfung für das Gastgewerbe ab. 1982 tritt sie in den elterlichen Kieswerke-Betrieb ein, 1986 wird sie geschäftsführende Gesellschafterin.

1986
erfolgt ihr Einstieg in die Politik als Gemeinderätin von Attnang-Puchheim, die sie bis 1990 bleibt. Von 1990 bis 1994 ist sie Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Ab 1994 ist sie Nationalratsabgeordnete, von 2007 bis 2008 Volksanwältin.

2008
wird sie Innenministerin. Im April 2011 wechselt sie unter dem neuen ÖVP-Chef Michael Spindelegger auf den Chefsessel im Finanzministerium.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2012)

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