Juristen: „Wertschöpfung und Wertschätzung“

Die Anforderungen an eine gute Führungskraft sind hoch. Was exzellentes Management in Kanzleien und Unternehmen ausmacht und wie man es lernen kann.

An ihrer fachlichen Kompetenz feilen junge Juristen jahrelang. Die erste Führungsaufgabe trifft sie dagegen häufig unvorbereitet. Was bringt das überhaupt mit sich, Mitarbeiter - ein ganzes Team zu führen? Was macht eine gute Führungskraft aus? Und wie professionell oder unprofessionell führen die eigenen Vorgesetzten?

„Das Geheimnis von gutem Leadership“ stand im Zentrum der bereits 14. Ausgabe der Reihe „Kanzlei & Karriere“ für Juristen, die am Mittwoch im Wiener Palais Coburg stattfand. Wie immer war die Diskussionsrunde branchenübergreifend besetzt. Diesmal am Podium: Robert Eichler, Vice President & Chief Compliance Officer bei der OMV, Clemens Hasenauer, Partner und Mitglied im Verwaltungsrat von CHSH – Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati, Rainer Herrmann, Geschäftsführer von Iglo Austria, Businesscoach und Führungs-Expertin Michaela Kern und Georg Swoboda, Geschäftsführer der Präzisionsfedernfabrik Nowak & Tobisch sowie Vorstand der Jungen Industrie Wien.

Zunächst war die Frage zu beantworten, ab wann sich ein Mitarbeiter überhaupt als Führungskraft bezeichnen kann. „Man muss heute nicht mehr alt und grau sein, um Führungskraft zu sein. Führungskräfte haben Führungsaufgaben. Das hat mit Personal- und Ergebnisverantwortung zu tun. Ihre Arbeit besteht aus einem Spagat zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung“, erklärte Kern, für die die Auseinandersetzung mit solchen Themen zum Job-Alltag gehört.

Die Aufgaben sind das eine, in welcher Qualität man sie ausfüllt, ist eine ganz andere Frage. „Mitarbeiter richtig einzuschätzen ist die Grundlage guter Führungsarbeit. Jeder, der an Sie als Vorgesetzten berichtet, ist individuell verschieden. Manche sind fachlich versierter, andere stärker in der Kommunikation“, sagte Eichler. Juristen-Kollege Hasenauer ergänzte den Anforderungs-Katalog an gute Manager: „Weitblick, der Blick für das große Ganze, das Big Picture, gehört auf jeden Fall dazu.“

Unternehmer Swoboda berichtete von seinen ersten Erfahrungen als junger Spitzenmanager: „Ich hatte das Glück, dass im Familienunternehmen mein Vater hinter meinen Entscheidungen gestanden ist. Das brachte eine gewisse Glaubwürdigkeit bei den Mitarbeitern. Auf lange Sicht ist dafür aber vor allem entscheidend, dass man tatsächlich durchzieht, was man sagt.“

Fachkraft oder Führungskraft?

Auseinandersetzung mit den Mitarbeitern, Weitblick und Glaubwürdigkeit als Kernfragen guten Leaderships: Im Publikum konnten sich die vielen anwesenden Konzipienten und Studierenden mit Praktikumserfahrungen sicher an die entsprechende Performance ihrer Vorgesetzten erinnern. Iglo-Chef Herrmann brachte aber eine Frage ins Spiel, die auch junge Menschen betrifft, wenn sie mutmaßlich noch Jahre von einer ersten Führungsaufgabe entfernt sind: „Will ich als Spezialist oder als Generalist und damit eher als Führungskraft tätig sein? Das ist eine wichtige Entscheidung, mit der man nicht zu lange warten sollte.“

Während in Großunternehmen eine klare Trennung zwischen höheren Führungsaufgaben und Fachaufgaben üblich ist, agieren in die Kanzleien auch die Partner als Rechtsanwälte. „Als Anwalt muss man immer Generalist und Spezialist zugleich sein“, sagte Hasenauer. „Das ist eine besondere Herausforderung, denn in gewisser Hinsicht arbeiten Führungskräfte in Kanzleien neben einer Vollzeit-Aufgabe als Anwalt zusätzlich als Teilzeit-Führungskraft. Da kommt es stark auf die eigenen Organisationsfähigkeiten an.“ Entsprechende Aus- und Weiterbildungen könnten auch hier für die Karriere sehr nützlichen sein, so der CHSH-Partner. Auf das Management in Kanzleien zugeschneiderte Master-Studiengänge gebe es dagegen kaum.

Die Doppel-Aufgabe Anwalt und Manager kann auch zur Falle werden: „Ein Rechtsanwalt lebt oft in dem Bewusstsein: Am Ende des Tages kann ich es selber am besten“, sagte Eichler. „Das ist ein Unterschied zum großen Konzern. Hier kann man es nur schaffen, wenn man seine internationalen Mitarbeiter so motiviert, dass sie vor Ort das Richtige tun“, beschreibt Eichler seine Erfahrungen als Jurist im Großkonzern.

Wenn man sich vorstellen kann, dass Managementaufgaben für einen selbst das Richtige sind, wird man sich über gute Beispiele freuen, die zeigen, wie man es denn auch richtig macht. „Führung kann man lernen, wenn man mit einer guten Führungskraft zusammenarbeitet“, sagte Kern. Die Diskussionspartner waren sich uneinig darüber, ob und wie wichtig der erste Chef als Vorbild für den eigenen Führungsstil sei. Dass es ohne „on the job“-Training nicht geht, war aber für alle klar:   „Führung ist ein Handwerk und da gibt es Methoden, die man auch erlernen kann. Und es ist ein Geschäft im Umgang mit Menschen. Und das kann ich auch nur mit Menschen ausprobieren“, sagte Kern. 

Sprung ins kalte Wasser

Wie so ein Praxistraining im Job aussehen kann, erzählte Iglo-Chef Herrmann: „Mir ist meine erste Führungsaufgabe mit 26 Jahren zugefallen. Ich habe ein Team aus 9 Mitarbeitern übernommen, der jüngste davon war 33. Das waren für uns alle sechs sehr harte Monate. Aber nach einem Jahr waren wir das beste Team im ganzen Unternehmen.“ Doch was, wenn es nicht so gut läuft? „Wenn man sich bemüht, eine Top-Performance abzuliefern, fällt das auf ?–auch wenn es dem eigenen Chef vielleicht gar nicht auffällt. Top-Performance bedeutet aber, mehr als nur seinen Job zu machen“, sagte der Iglo-Chef.  

Der Blick auf die Außenwirkung gehört aber für Swoboda auch dazu: „Seine Leistungen auch zu kommunizieren und sich selbst gut zu verkaufen, gehört für mich zu den Qualifikationen, die eine gute Führungskraft mitbringen muss“, so der Jungunternehmer. „Viele junge Menschen auszubilden ist für uns besonders wichtig, um auch zukünftig gute Führungskräfte hervorbringen zu können.“

Kanzlei & Karriere: Der Name ist Programm.

Das Karriere-Format für Juristen ist im dritten Jahr angekommen: Letzten Mittwoch fand bereits die 14. Veranstaltung des Events für Juristen statt. Bei der Veranstaltungsserie stehen berufliche Fragen im Zentrum. Antworten liefern dabei vor allem Fachleute, die aus anderen Branchen kommen. Die Diskussionen richten sich ausschließlich an Juristen sowie ausgewählte Studierende juristischer Studienrichtungen. Die Events finden alle in den Kasematten des Palais Coburg statt. Partner von „Kanzlei & Karriere“ sind Binder Grösswang Rechtsanwälte, CHSH – Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati, Freshfields Bruckhaus Deringer sowie Wolf Theiss. Als Videosponsor tritt EDV2000 auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2012)

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