Ringen um Pestizid-Zulassung

EU-Parlament. Abgeordnete fordern mehr Transparenz und Kontrollen, doch die Pflanzenschutzlobby versucht, die Stimmung zu drehen.

Brüssel. Das EU-Genehmigungsverfahren für Pestizide soll strenger werden. Darauf hat sich ein Sonderausschuss des Europaparlaments bereits im Dezember geeinigt. Doch kommende Woche soll das Parlamentsplenum über die Vorschläge abstimmen, und die Pflanzenschutzmittelindustrie versucht mit massivem Lobbying, eine ausgeweitete Transparenz und Kontrolle zu verhindern. Der grüne Abgeordnete Thomas Waitz sieht die Gefahr, dass wie bei der Neuzulassung von Glyphosat Hersteller weiterhin widersprüchliche Studien zurückhalten. Er nennt unter anderem die European Crop Protection (ECPA), den Dachverband der Pflanzenschutzhersteller, der zahlreiche Abgeordnete kontaktiert habe, um die Neuregelung abzumindern.

Der Sonderausschuss war nach der Erneuerung der Glyphosat-Zulassung eingesetzt worden. Sein Ziel war es, künftig sicherzustellen, dass die verwendeten Substanzen umfassender und transparenter auf Gesundheits- und Umweltgefahren geprüft werden. Er sollte auch Regelungen erarbeiten, damit keine Interessenkonflikte mehr eine objektive Prüfung beeinflussen. Die Problematik ist nämlich, dass die Industrie selbst Studien zur Prüfung in Auftrag gibt und gern nur jene Bewertungen für das Zulassungsverfahren einreicht, die ihren Interessen entsprechen. Zudem werden von Zulassungsbehörden die Studien der Industrie manchmal lediglich in ihre Bewertung kopiert. Darüber hinaus werden nur die aktiven Substanzen eines Pflanzenschutzmittels geprüft, nicht aber, wie Waitz gegenüber der „Presse“ kritisiert, „die Beistoffe, die oft noch weit toxischer sind“.

Der Sonderausschuss hat eine vollständige Prüfung aller Wirkstoffe gefordert. Künftig sollen die Hersteller volle Transparenz aller verwendeten Studien garantieren. Dies betrifft auch die ausgewerteten Datensätze, die bisher gerne zurückgehalten wurden. Krebstests etwa an Ratten müssten dann umfassend belegt werden. Die Europäische Lebensmittelagentur EFSA soll zudem stärker in die Pflicht genommen werden, im Zweifel selbst umfassend zu prüfen.

Vorsicht bei Betriebsgeheimnissen

Die Pflanzenschutzmittelindustrie befürchtet, dass ein besonders transparentes Verfahren die Zusammensetzung und Wirkungskraft ihrer Produkte öffentlich machen würde. Dadurch könnten Betriebsgeheimnisse nicht mehr gewahrt werden. Waitz hat dafür Verständnis. Es sei klar, dass Betriebsgeheimnisse auch in Zukunft geschützt werden müssten. Aber es gehe um eine umfassende Prüfung, die auf Grundlage einer konkreten Definition der Risken für Mensch und Umwelt geschehen müsse. (wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2019)

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