Absage und Lobgesang auf eine künftige EU-Armee

Ursula von der Leyen plädierte für eine „Armee der Europäer“.
Ursula von der Leyen plädierte für eine „Armee der Europäer“.APA/HANS PUNZ
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Die Verteidigungsministerinnen Deutschlands und der Schweiz nahmen an trilateralen Gesprächen in Wien teil. Ursula von der Leyen plädierte für eine „Armee der Europäer“, Kunasek sieht dafür keine Rechtsgrundlage.

Wien. Wo liegen die größten Risken für Österreich in diesem jungen Jahr? Cyberangriffe, unkontrollierte Migration, Großkatastrophen wie etwa ein Blackout, und zwar in dieser Reihenfolge. Das war das Ergebnis einer kleinen digitalen Umfrage im Wiener Festsaal des Ministeriums für Landesverteidigung. Das Heer lud nämlich am Freitag zum „Sicherheitspolitischen Jahresauftakt“ ein, Hausherr Mario Kunasek hatte seine Amtskolleginnen aus Deutschland und der Schweiz, Ursula von der Leyen und Viola Amherd, zu Gast.

Kunasek (FPÖ) betonte in seiner Rede, dass vor allem Migration auch in diesem Jahr ein Thema sein werde, eine Bewältigung im Alleingang nicht möglich sei. Insgesamt brauche man sehr wohl eine verstärkte Kooperation im EU-Rahmen, so Kunasek, aber: „Es braucht keine Europa-Armee. Dafür fehlen der politische Wille und die Rechtsgrundlage.“

Das sah von der Leyen gänzlich anders: Ihre Rede war ein Aufruf zur sicherheitspolitischen Zusammenarbeit in Europa, die zwischen all den Ländern freilich nicht friktionsfrei laufe. Sie lobte die junge EU-Verteidigungsunion und sagte, dass die europäische Lösung die Regel sein müsse, nicht die Ausnahme. Die immer enger werdende Verzahnung der europäischen Streitkräfte müsse jedoch unter Beibehaltung der nationalen Souveränität erfolgen, so die CDU-Politikerin. Die Idee einer europäischen Armee – oder: „Armee der Europäer“, wie von der Leyen sagte – hatten die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und der französische Präsident, Emmanuel Macron, aufs Tapet gebracht. Innerhalb der EU ist die Idee umstritten. „Die Vision einer europäischen Armee werden meine Kinder hoffentlich eines Tages erleben“, sagte von der Leyen – und mit Blick auf die österreichische Neutralität: „Europa braucht die Gestaltungskraft Österreichs.“

Weder Krieg noch Frieden

Am Ende der Veranstaltung präsentierte der deutsche Politikwissenschaftler Herfried Münkler seine Thesen zum sicherheitspolitischen Zustand der Welt: Die größte Herausforderung sei, so der Professor, dass sich die USA gemäß Trumps Parole „America first“ von der Rolle als Hüter der Weltordnung zurückzögen. Dieser Abschied sei nicht nur Ursache erhöhter Spannung bis hin zu akuten Kriegsgefahren, sondern animiere auch andere (kleinere) Mächte, Grenzen auszutesten und zu provozieren. An China als den Nachfolger der USA glaubt Münkler nicht – denn China investiere nicht einheitlich global, sondern nur dort, wo das riesige Land eigene Interessen habe.

In diesem Sog werde auch der Einfluss der UNO weiter schrumpfen; die Welt werde sich dann in Einflusssphären unterteilen lassen. Und da lägen die neuen Probleme: In welche Sphäre kommt etwa der Kaukasus? Russland? Asien? Uns stehe eine Welt bevor, resümierte Münkler, die nicht mehr auf Binarität beruhe: Krieg und Frieden – dazwischen gab es nichts. In Zeiten von Cyber- und Drohnenangriffen ohne Kriegserklärung schwebe die Welt in Zuständen, die weder Krieg noch Frieden seien. (duö)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2019)

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