In die Rolle der Schüler versetzen

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Kommt der Sommer, kommt der Neid auf die Pädagogen – und die Diskussion über ihr Weiterbildungsverhalten. Doch was sollen sie eigentlich lernen – und was interessiert sie?

Seit der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie 2008 in seinem Buch „Visible Learning“ die Ergebnisse seiner 50.000 Einzelstudien mit 250 Millionen Schülern veröffentlichte, wissen Lehrer: Unterricht sollte mit den Augen der Lernenden gestaltet werden. „Es braucht eine gewisse Demut dem Lernenden gegenüber. Deshalb ist es wichtig, dass Lehrer die Seiten wechseln, um sich in die Rolle der Schüler versetzen zu können“, sagt Beatrix Konicek, Vizerektorin für Fortbildung und regionale Vernetzung an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems. „Pflichtschullehrer müssen per Gesetz 15 Stunden pro Jahr auf Fortbildung gehen, andere Lehrer bilden sich freiwillig fort – und das durchaus gern. So hat die Fort- und Weiterbildung im Schulkollegium besonders an Bedeutung gewonnen“, erläutert sie.

Platz für neue Gedanken

Doch auch schulübergreifend bilden sich Lehrer fort, wie der Nawi-Sommer in Gmünd zeigt. Hier treffen sich im August Lehrende aus allen Schularten in einer Experimentierwerkstatt zum fächerübergreifenden Ausprobieren und Reflektieren. Eher allgemein gehalten sind die Themen beim Sommercampus in Krems, der dieses Jahr Seminare und Workshops zu Persönlichkeitsbildung, Professionalisierung sowie Kreativität und Sprache anbietet. Und in Wien stehen die Fortbildungseinheiten auf dem Sommercampus Strebersdorf und Stephansplatz für „Seele, Geist und Klasse“ offen.

„Es ist wichtig, dass Lehrpersonen immer wieder selbst spüren, wie fordernd lernen ist“, sagt Marlies Krainz-Dürr, Rektorin der Pädagogischen Hochschule Kärnten – Viktor Frankl Hochschule. Daher liegt der diesjährige Schwerpunkt der Sommerhochschule auf kreativem Denken, der Fähigkeit, innovative Lösungsansätze zu entwickeln und aktiv an ihrer Umsetzung zu arbeiten. „Dies sind grundlegende Kompetenzen in einer modernen Gesellschaft und damit ein zentrales Element von Bildung in allen Fächern und Lernbereichen, nicht nur in jenen, die gemeinhin mit Kreativität verbunden werden“, erklärt Krainz-Dürr. Die Angebote würden quer durch alle Schularten gut angenommen. Auffallend sei zudem der Zuwachs an Kindergartenpädagogen.

Konflikttraining

Sportforum, Rituale in Schule und Unterricht – Grundlagen und Praxistraining und das Verfassen von Texten samt kriteriengeleiteter Beurteilung von Deutsch-Schularbeiten – so lauten die Top-drei-Themen der Sommerfortbildung an der Pädagogischen Hochschule OÖ. Das Angebot fußt auf einer Erhebung aus dem Herbst 2013, an der 1950 Lehrer teilgenommen haben. „96,8 Prozent haben angeführt, dass Fortbildung für sie bedeutsam ist und dass sie Vielfalt in der Breite und Spezifisches in der Tiefe brauchen. Pflichtschullehrer wünschen sich Fortbildungen zu Sozialkompetenz und Fachdidaktik, Schul- und Klassenklima sowie Pädagogik“, erläutert Gertrud Nachbaur, Leiterin des Instituts Fortbildung und Schulentwicklung1. Bei spezifischen Anliegen zur Professionalisierung würden vor allem Fortbildungen zum „Umgang mit Konflikten“, zu „Individualisierung und Differenzierung“ und zum „Lernen als aktivem Prozess“ als wesentlich erachtet. Die gesamte Lehrerbildung geht vom Professionalisierungskontinuum aus: Die Pädagogenbildung setzt sich über das gesamte Berufsleben fort. Nicht nur neue wissenschaftliche Erkenntnisse, gesellschaftlicher und technischer Wandel erfordert das. „Man denke an die zunehmende Heterogenität und Mehrsprachigkeit. Und natürlich ändern sich auch die Methoden laufend – Frontalunterricht und handgeschriebene Overheadfolien bringen sicher keine besonderen Unterrichtserfolge“, sagt Walter Vogel, Vizerektor für Fort- und Weiterbildung der Pädagogischen Hochschule Steiermark. Das Jahresthema heißt aus diesem Grund nicht umsonst „Schreiben Version 2.015“.

Für rund 2500 Lehrer hat die Pädagogische Hochschule Steiermark über 100 Fortbildungsveranstaltungen an der Sommerhochschule zusammengefasst. Gefragt ist auch dabei auch die Lerntheorie: Sie gehört zu den am besten gebuchten Angeboten der Sommerhochschule 2014. „Sehr gefragt sind natürlich auch persönlichkeitsbildende Veranstaltungen“, sagt Markus Schöpf, Leiter des Instituts für berufsbegleitende Professionalisierung an der Pädagogische Hochschule Tirol.

INFORMATION

Buchtipp: „Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen“, John Hattie, Schneider Verlag 2014. Die überarbeitete deutsche Version des Buches „Visible Learning“, in dem er seine Studienergebnisse 2008 veröffentlichte.

Web:www.kphvie.ac.at,www.ph-tirol.ac.at,

www.ph-kaernten.ac.at, www.ph-ooe.at,

http://phst.at/fortbildung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)

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