Internationale Erfahrung steht im Curriculum

Auslandssemester Verpflichtende Semester an internationalen Partnerhochschulen sind bei manchen Studien nicht optional, sondern fixer Bestandteil des Programms. Drei Studenten erzählen über ihre Erfahrungen damit.

Dass Studierende aus Salzburg nach dem Bachelorstudium an einer größeren Stadt wie Graz weiter studieren wollen, kommt ständig vor. Dass das Masterstudium in Graz sie gleich weiter in die Metropole New York führt, ist hingegen ein Glücksfall, den der Bischofshofener Anglistik/Amerikanistik-Student Christian Perwein erlebt hat. Möglich wurde das Auslandssemester im Big Apple durch eine Kooperation der Grazer Karl-Franzens-Universität mit dem City College of New York – ein sogenanntes Joint-Degree-Programm, das von mehreren Institutionen länderübergreifend entwickelt wird.

Die Uni Graz bietet einige solche Masterstudien an, bei denen ein Teil des Studiums verpflichtend an einer internationalen Partneruniversität verbracht wird, so zum Beispiel English and American Studies, Sustainable Development, Jüdische Studien – Geschichte jüdischer Kultur oder Global Studies on Management and Information Science (GLOMIS). Die Programme sind im Zugang beschränkt, jedoch prinzipiell kostenlos. Großteils selbst zu finanzieren (bis auf eventuelle Zuschüsse der Universität) sind nur die Reise- und Aufenthaltskosten.

Englischsprachig ist begehrt

Für Christian Perwein war das obligatorische Auslandssemester ausschlaggebend dafür, nach dem Bachelor das Joint-Degree-Programm als Master zu wählen. „Man musste sich bewerben und schon bei der Bewerbung die gewünschte Uni für das Auslandssemester angeben.“ New York sei der einzige englischsprachige Standort gewesen, weshalb es natürlich begehrt gewesen sei.

Vor einem halben Jahr schloss Perwein das Studium ab. Derzeit arbeitet er an seiner Dissertation. Durch das USA-Semester habe er sich vor allem als Person weiterentwickelt, sagt der Salzburger. „Außerdem war es interessant, eine ganz andere Art von Unterricht und Lernen kennenzulernen.“

Während Perwein durch sein Studium Gelegenheit hatte, in die amerikanische Universitätskultur einzutauchen, nutzte der amerikanische Incoming-Student David McCahill das Grazer Masterstudium Sustainable Development, um sich in Österreich und Deutschland mit Nachhaltigkeitsfragen in der Energiewirtschaft zu beschäftigen. McCahill, der in Harvard ein Bachelorstudium der Umweltwissenschaft absolvierte, bezeichnet sich selbst als Outdoor-Mensch. Dem früheren US-Skispringer und Skisprungtrainer war Mitteleuropa bereits aus seiner aktiven Zeit im Sport vertraut. Seine Entscheidung, hier ein Masterstudium zu absolvieren, hat deshalb auch mit seinen Freizeit-Leidenschaften zu tun. McCahill hat gerade eine Ausbildung zum Mountainbike-Guide in Tirol hinter sich gebracht.

Die Partneruniversitäten des Grazer Joint-Degree-Programms befinden sich in Italien, den Niederlanden, Deutschland, der Schweiz und Japan. McCahill entschied sich für ein Auslandssemester in Leipzig und zeigt sich rückblickend begeistert. „Wir haben dort viele Exkursionen gemacht, Biogasanlagen und Kraftwerke besichtigt.“ Er habe ein wirkliches „hands-on“-Studium erlebt, das von den Lebenshaltungskosten sehr günstig gewesen sei. Ähnlich positiv äußerst sich der Amerikaner über das Studium in Graz, in dem er sich zum Beispiel mit Abfall- und Entsorgungsfragen oder mit Windenergie auseinandersetzen konnte. Seine Vision, Windkraft in amerikanischen Reservaten einzusetzen und so der Bevölkerung dort ein Mehr an Lebensqualität zu ermöglichen, ist nur eine von vielen Ideen, die er aus Graz in die Staaten mitnehmen wird.

Pflicht-Ausland auch an FH

Auch Fachhochschulen integrieren trotz des meist dichter gedrägteren Lehrplans verpflichtende Auslandssemester in manche Programme. An der FH Burgenland ist dies zum Beispiel im Bachelorstudium Internationale Wirtschaftsbeziehungen der Fall, wo im fünften Semester ein viermonatiges Pflichtpraktikum in einem zentral-osteuropäischen Land vorgesehen ist.

Für Lukas Mariel, der es gerade absolviert hat, war speziell die Internationalität ausschlaggebend. Durch das verpflichtende Auslandspraktikum in Zagreb habe er Einblick in eine neue Kultur, Arbeitsweise und Lebensgewohnheiten gewonnen, sagt Mariel. „Das hat mir nicht nur in meiner persönlichen Entwicklung weitergeholfen, sondern mittlerweile auch im beruflichem Umfeld, da mein jetziger Arbeitgeber auch ein Tochterunternehmen in Kroatien hat und ich die interkulturelle Kompetenz bereits anwenden kann. Dadurch fällt es mir leichter, grenzüberschreitende Prozesse zu verstehen und mich in die Situation des anderen Kollegen hineinzuversetzen.“ Sprachlich sei er in Kroatien zwar ohnedies mit Deutsch und Englisch problemlos weitergekommen. „Von den Kroaten wurde es jedoch sehr geschätzt, wenn man sich in ihrer Landessprache bemühte. Diese Bemühungen schafften auch den Beginn für eine vertrauensvollere Gesprächsbasis, als es mit Englisch oder Deutsch der Fall gewesen wäre.“ Die Kroatisch-Kenntnisse, die er sich in den ersten beiden Jahren des Bachelorstudiums an der FH sowie während eines Sommer-Crash-Kurses in Pula angeeignet habe, seien also bis heute hilfreich.

Die FH Burgenland, deren prinzipielles Asset die Ausrichtung auf Länder des benachbarten CEE-Raums ist, bietet aufgrund von Kooperationen auch berufsbegleitende Doktoratsprogramme mit Pflichtsemestern in diesen Ländern an, von Ungarn, der Slowakei und Kroatien bis zu – neu – Slowenien und Bosnien.

Web:www.fh-burgenland.at

www.jointdegree.eu/de/programmes

INFORMATION

Auslandsaufenthalte können im Rahmen der meisten Studien absolviert werden. Bei einigen sind sie sogar verpflichtend vorgesehen. Vorteil der Pflicht-Variante ist, dass der Auslandsaufenthalt standardmäßig im Curriculum eingeplant ist. Oft sind diese Auslandsaufenthalte im Rahmen von Joint-Degree-Programmen zu absolvieren. Der Vorteil: Man erhält mit relativ geringem Mehraufwand einen zweiten Abschluss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2018)

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