Gleichwertig, aber nicht gleichartig

Porträt. Augenmedizinerin Talin Barisani-Asenbauer hat ein entspanntes Verhältnis zu Rollenbildern. Ihre Umwelt stimmt nicht immer damit überein. Jetzt forscht sie an einem Impfstoff für eine Erkrankung, die besonders Frauen betrifft.

Um Talin Barisani-Asenbauers Frauenbild zu verstehen, müssen wir weit in ihrer Familiengeschichte zurückgehen. Der Urgroßvater, ein begnadeter Arzt, überlebte den Genozid an den Armeniern, weil ihn dankbare türkische Patienten samt seiner Familie an die benachbarte iranische Grenze in Sicherheit brachten.

Starke Frauen als Vorbilder

In der neuen Heimat baute er sich eine Existenz auf, litt jedoch zunehmend darunter, als Mann Frauen weder untersuchen noch behandeln zu dürfen. Urgroßvaters Lösungsansatz war ebenso unkonventionell wie effektiv. Wo ihm der Weg versperrt war, war er für seine Frau offen. Also bat er (1922!) die Mutter seiner fünf Kinder, nach Paris zu gehen und Medizin zu studieren. Sie wurde die erste Gynäkologin des Landes, und das Paar behandelte noch viele Jahrzehnte lang iranische Frauen.

„Meine Urgroßmutter war eine taffe Frau“, sagt Urenkelin Talin Barisani-Asenbauer, „und sie hatte einen starken Mann an ihrer Seite. Mein Urgroßvater hat verstanden, dass sie nur zu zweit alles abdecken können.“ Und das habe ihr Bild von Männern und Frauen auf Dauer geprägt.

Ihr Umfeld war da manchmal anderer Meinung. In den 1980er-Jahren studierte Barisani-Asenbauer Medizin an der Uni Wien (ihre Mutter, Technikerin und Diplomatin, war 30 Jahre davor nach Österreich gekommen). Mehr als einmal bekam die Tochter Abfälligkeiten zu hören, etwa: „Warum studieren Sie? Heiraten Sie doch einen Doktor!“

Exzellenz oder Mittelmaß

Wohlmeinende legten ihr nahe, sich doch bitte anzupassen und bloß nicht aufzufallen: „Das funktioniert nur, wenn man keine Leidenschaft für Exzellenz hat. Es ist so viel einfacher, im Mittelmaß unterzugehen.“

»"Es ist so viel einfacher, im Mittelmaß unterzugehen.“«

Talin Barisani-Asenbauer, Augenmedizinerin

Barisani-Asenbauer fiel auf. Sie spezialisierte sich auf seltene Augenerkrankungen und deren oft unentdeckt ganz woanders liegenden Ursachen. „Es gibt so viele Krankheiten, die sehbedrohende Entzündungen am Auge verursachen können. Die richtigen zu finden ist echte Detektivarbeit!“

An der Universitätsklinik stieg sie rasch zur Oberärztin und zur Dozentin für Augenheilkunde und Optometrie auf – bis sie zur Leiterin eines der acht Laura-Bassi-Zentren in Österreich ernannt wurde.
Laura Bassi war eine italienische Physikerin des 18. Jahrhunderts, die als erste Professorin an eine europäische Universität berufen wurde. In den Laura-Bassi-Zentren wird an der Schnittstelle von Wissenschaft und Industrie an innovativen Ideen geforscht, teamorientiert, interdisziplinär – und in einem „vernünftigen Genderkontext“, wie Barisani-Asenbauer es formuliert: „Ich mag keinen Brachialfeminismus. Für mich sind Frauen und Männer gleichwertig, aber nicht gleichartig.“

Hehre Ziele

Neben ihrer Praxis forscht sie jetzt mit ihrem Team vordringlich an einem Impfstoff gegen das Trachom, den Endzustand einer Chlamydieninfektion am Auge. Es tritt fast nur in tropischen Ländern mit schlechten hygienischen Bedingungen auf, betrifft dreimal so häufig Frauen wie Männer und kann zur Erblindung führen.

In Tropfenform solle dieser Impfstoff appliziert werden, ohne Spritze, auch von Laien handhabbar und kühlkettenunempfindlich sein. Ein hehres Ziel, sagt die Professorin, doch es schreite voran: Die vorklinischen Untersuchungen verliefen erfolgreich, und die Entwicklung sei bald bereit, „an den Menschen herangetragen zu werden“. Gerade bemühe sie sich um neue Forschungsgelder.

»„Ich bin Ärztin und Forscherin. Plötzlich war ich für ein Budget von vier Millionen Euro verantwortlich."«

Talin Barisani-Asenbauer, Augenmedizinerin

Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum Barisani-Asenbauer am Lehrgang Zukunft.Frauen (siehe Kasten) teilnimmt. „Ich bin Ärztin und Forscherin. Plötzlich war ich für ein Budget von vier Millionen Euro verantwortlich. Ich wollte meine rechtlichen und kaufmännischen Fähigkeiten festigen, die Sprache der Wirtschaft sprechen und Skills wie Projekt- und Risikomanagement lernen.“

Und noch etwas: in welchen Anhängen einer Bilanz die interessantesten Daten zu finden sind.

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