Marginalie: „Oh Gott, segne diese deine heilige Handgranate...“

„Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern das Licht des Lebens haben.“ Und peng.

Jemand in den USA hat herausgefunden, dass die winzigen Schriftzeichen am Ende der Seriennummern der Zielfernrohre amerikanischer Marinesoldaten Bibelverse darstellen. Der Hersteller Trijicon gehört zu den weltbesten Produzenten beleuchteter Zielsysteme und hat offenbar die Marotte, Bibelkürzel einzugravieren, die mit Licht zu tun haben. Zum Beispiel stand da JN8:12, und was die GIs bisher für ein Brennweiten-Kürzel hielten, entpuppt sich jetzt als Kapitel8, Vers12 des Johannesevangeliums: „Jesus sagte: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern das Licht des Lebens haben.“

Postwendend hat das Pentagon solche Inschriften untersagt. Das liberale Muslim Public Affairs Council hat das einen „Sieg für die religiöse Freiheit und die Garantien unserer Verfassung“ genannt. Ob aber der Insider-Gag versteckt angebrachter Anspielungen auf Bibelverse tatsächlich religiöse Propaganda auf Staatskosten darstellt, darf bezweifelt werden. Aber auch das Argument des Pentagon ist ein wenig sonderbar: Die Buchstaben würden bei den Moslems die Legende unterstützen, die USA führten einen Kreuzzug gegen den Islam. Ob es wirklich erst einer genauen Untersuchung der Inschriften erbeuteter amerikanischer Zielfernrohre bedurft hätte, um bei den Taliban diesen Verdacht zu bestätigen?

Aber immerhin spielt die Affäre in die Praxis der Waffensegnungen hinein. Das wäre dann eine interessante historische Wendung, denn ursprünglich bildete sich diese umstrittene Übung tatsächlich in den Kreuzzügen aus („Segne diese Fahne, damit sie ein Schrecken für die Feinde des Christenvolkes sei“, heißt es etwa in der Segensformel des 12.Jahrhunderts, oder: „Segne dieses Schwert, das zur Verteidigung und dem Schutz der Kirche, der Witwen, der Waisen dient und aller, die gegen die Wildheit der Heiden kämpfen“). In Zeiten des Nationalismus wurde sie dann, obwohl die offizielle Lehre der Kirche so Zweifelhaftes nicht mehr vorsah, von überpatriotischen Geistlichen gerne auch in ganz profanen Auseinandersetzungen angewendet. Jetzt wäre der christliche Waffensegen also wieder in eine religiösere Sphäre zurückgekehrt.

Aber es war ja kein Segen. Das wäre ja auch noch schöner: Wenn religiöse Gefühle verletzt worden sind, dann die von Christen. Selbst die nicht-pazifistischen, die an so etwas wie einen gerechten Krieg glauben, dürften es überwiegend als Geschmacklosigkeit empfinden, dass jemand den Namen ihres Herrn missbraucht, um mit ihnen – als Gag? als irregeleitetes Gebet? – den brutalen Einzelakten des Krieges sozusagen eine besondere Heilsqualität zu verleihen. Sehr weit entfernt ist die Realität der Burschen von Trijicon in Wixom, Michigan, nicht mehr entfernt von der Parodie der Monty Pythons, wo ein Mönch aus dem erfundenen biblischen „Book of Armaments“, Kapitel2, Vers9 vorliest: „And St.Attila raised his hand grenade up on high saying ,O Lord bless this thy hand grenade that with it thou mayest blow thine enemies to tiny bits, in thy mercy.‘ And the Lord did grin...“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2010)

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