Schulmurks: Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen!

Gute Bildung braucht Geld – egal, welches Etikett auf der Schule draufklebt.

Zwei Meldungen der jüngsten Zeit, die die Alarmglocken schrillen lassen: Im Budget klafft ein vor der Wahl verschwiegenes Milliardenloch. Die ÖVP geht in Richtung Ganztags- und Gesamtschule – auch das wurde uns vor der Wahl verschwiegen.

Was das miteinander zu tun hat? Zum einen die üble Wählertäuschung. Und: Gute Bildung braucht Geld – ganz gleich, welches Etikett auf der Schule draufklebt. Eine Ganztagsschule, so sie qualitativ hochwertig sein soll, braucht sogar viel Geld.

Sehen wir uns, abseits all der schönen Theorien, einmal die Praxis an. In der Neuen Mittelschule existieren die versprochenen Zusatzlehrer oft bloß auf dem Papier. Die schwächeren Schüler kommen schwerer mit, die besseren werden um die Chance gebracht, später problemlos in Höhere Schulen zu wechseln. Das berichten Lehrer wie Eltern, in den Ebenen darüber aber wird das ignoriert oder schöngeredet. Eine anonyme Erhebung unter den Lehrern würde sicher manchen Ideologen überraschen.

Ähnliches passiert in den Ganztagsschulen: Die Gebäude sind oft nicht geeignet, Freiflächen und Rückzugsräume fehlen. Die Aufgaben sind beileibe nicht immer erledigt, wenn Kinder (und Eltern) todmüde nach Hause kommen. Außerschulische Angebote können nicht mehr wahrgenommen werden – keine Musikschule, kein Fußball, keine Jungschar etc. Also keine kreativen Freiräume mehr.

Was ist der Mehrwert?

Was ist der Mehrwert? Dass die Nachmittagsbetreuung nichts kostet? Dass alle gleichgeschaltet werden? Dass Kinder den ganzen Tag mit ihren Kameraden verbringen (müssen), selbst wenn sie sich unter ihnen nicht wohlfühlen?

Die Einschränkung, dass die Mehrheit der Eltern jeweils entscheidet, kann nicht überzeugen: Wieso sollen andere darüber abstimmen, wie ich mein Kind erziehe? Und wenn einmal eingeführt und womöglich umgebaut wurde, kann man das wohl nicht mehr rückgängig machen. Und wie motiviert werden Lehrer das neue Modell umsetzen, wenn von Politik und Elternseite über sie drübergefahren wird?

Ideologie und Wirtschaft

Wenn Eltern eine ganztägige Betreuung für ihr Kind wollen, soll es das entsprechende Angebot geben, wie das schon bisher der Fall war. Da könnte man durchaus noch in Qualität investieren. Wenn sich Schulstandorte von sich aus als Ganztagsschule positionieren, ist das im Kontext des Bildungswettbewerbs ebenfalls zu begrüßen. Erreichen sie die Qualität nicht, werden sie Auslastungsprobleme haben.

Der Eindruck verfestigt sich jedoch, dass es nicht um das Wohl der Schüler geht. Vielmehr geht es darum, dass die einen unbedingt endlich ihre Ideologie umsetzen wollen und die andere Seite, nämlich die Wirtschaft, die Eltern als voll verfügbare (die Frauen als billige) Arbeitskräfte haben möchte. Dann wäre das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie obsolet.

Dass der Trend längst in die Gegenrichtung geht, nämlich dass Frauen und Männer mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, mehr Work-Life-Balance anstreben, scheint ignoriert zu werden.

Die Fragen sind anders zu stellen: Warum verdienen Jüngere so wenig, dass beide Vollzeit arbeiten müssen, wenn die Kinder klein sind? Wieso kann man bei einer längeren Lebenserwerbszeit die Phasen der Familiengründung und „Karriere“ nicht hintereinander absolvieren? Beides gleichzeitig ist nicht zu schaffen – ohne völlige Überforderung aller Beteiligten.

Der Staat zieht immer mehr Kompetenzen an sich, die er nicht erfüllen kann, er möchte uns entmündigen. Und das dürfen wir uns nicht gefallen lassen!

Dr. Gudula Walterskirchen ist promovierte Historikerin und freie Publizistin.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2013)

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