Eine Art Vergangenheitsbewältigung

Rückkehr zur großen Klasse – diesmal mit großer Klasse. Um das 8er-Coupé wird sich eine kleine Modellfamilie mit Cabrio und Viertürer etablieren.
Rückkehr zur großen Klasse – diesmal mit großer Klasse. Um das 8er-Coupé wird sich eine kleine Modellfamilie mit Cabrio und Viertürer etablieren. (c) Juergen Skarwan
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Fahrbericht. Im BMW M850i schwelgt man in V8-Opulenz, die ganz ohne Krawalleffekte auskommt. Auch sonst hat BMW das Thema auf den Punkt getroffen – 30 Jahre nach dem ersten Versuch eines Luxus-GT.

Welch netter Zufall, dass BMW vor genau 30 Jahren mit dem 850i die 8er-Serie vom Stapel ließ. Das Modell lässt sich nun (mit Bedingungen) als historisch klassifizieren, ringt aber um Anerkennung in der Szene. Wie es auch zu seiner Zeit, nach der ersten Aufregung, nicht den Furor auf dem Markt entfachte, den BMW gern gesehen hätte.

M8? Ehrensache.
M8? Ehrensache. (c) Juergen Skarwan

Der Baureihe folgte nach einer mehrjährigen Nachdenkpause eine schon weniger couragierte Fortsetzung mit dem 6er (ab 2003), der bis zum Vorjahr den vornehmen Posten als großes Coupé des Hauses bekleidete. Was diesem Plattform-Verwandten des 5ers wiederum fehlte, erkennt man nun in aller Klarheit am neuen 8er.

Einiges ist geschehen seither, Klappscheinwerfer etwa sind passé, und die 300 PS des damaligen Fünfliter-V12 übertrifft schon die Dieselvariante des neuen 8ers spielend, mit halb so vielen Zylindern.

Kein Hokuspokus

Vor allem aber versteht sich die neue, weitgehend eigenständige Baureihe darin, das Gipfelerlebnis einer Marke zu feiern – stilistisch und atmosphärisch, technisch sowieso. Auch deshalb darf sie wieder rechtschaffen die 8 tragen, reserviert für irgendwie Herausragendes (Z8, i8). Der gläserne Automatikwählhebel mit holografierter Ziffer erlaubt sich den Hinweis.

Zwölfzylinder wird es ebenso wenig geben wie Plug-in-Hokuspokus, beides würde nicht der sportlichen Gesinnung des lang gestreckten Zweitürers entsprechen. Stattdessen: ein wesentlich überarbeiteter V8 als erstklassige Besetzung. Damit kratzt man ohnehin schon an der Zweitonnenmarke. Für einen Luxus-GT dieser Statur geht das in Ordnung, in der Wahrnehmung am Steuer dominiert der Eindruck von Leichtfüßigkeit. Das liegt am Antrieb ebenso wie am aufwendigen Fahrwerk, das sich kein wahrnehmbares Wanken, Nicken oder Rollen erlaubt. Während es für weiterreichende dynamische Gelüste eine Heckantriebsvariante geben wird, ist Allradantrieb schon das richtige, fast unverzichtbare Instrument, um die Vehemenz des Motors zu erden und sich auch auf halb verschneiter, halb vereister Bergstraße noch sportlich betätigen zu können. Je nach Fahrsituation wandert das Antriebsmoment ohnehin zu 100 Prozent zur Hinterachse. Die lenkt auch mit, was das Rangieren ebenso erleichtert wie schnelle Lastwechsel, die der 8er völlig unbeeindruckt und ohne Traktionsnotstand hinnimmt. Gab es als (heute museales) Hightech-Gadget übrigens schon für den alten 8er in den 1990ern.

Dass man bei allen Elektrifizierungsfantasien noch Motoren zu bauen in der Lage ist, die aus dem Vollen schöpfen und das auch lustvoll kundtun, wäre mit dem 4,4-Liter-Achtzylinder, der seine beiden Turbolader im „heißen V“ zwischen den Zylinderbänken verstaut hat, eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Manierlich

530 PS (und 750 Newtonmeter) sind dabei gar nicht die aktuelle Benchmark, wie sie der M5 beansprucht, aber die Kultiviertheit, mit der Motorgewalt dargeboten wird, sucht ihresgleichen. Soll jener vorzugsweise in Trainingsanzügen gewandete Teil der Markenfreunde hooliganesk durch die Gassen böllern – billige Krawalleffekte bleiben einem im 8er erspart. Von der Klangnote: feinster V8, der beim Kaltstart keinen aus den Federn hebt und auch im Sportmodus manierlich klingt, soweit das ein Hochleistungsmotor im vollen Galopp kann oder soll. Ob freiwillig oder der neuen Lärmschutzrichtlinie, die den mit Auspuffklappenschmäh adressiert, geschuldet – egal. Der 8er ist die unpeinlichste erwachsene Art, einen maßlos motorisierten BMW zu fahren.

Das ist ein Vergnügen, das schon beim Herannahen ans geparkte Auto auf Drehzahl kommt. Mit dem Design trifft BMW endlich wieder den Punkt. Das Dach darf so fliehen, weil eh niemand hinten sitzen wird. Es ist lohnend, die Details der Karosserie zu studieren, man erkennt Technik und Funktion dahinter und freut sich über Liebesgaben wie die Doppelwölbung des Dachs, das man auch in Karbonausführung (zur Absenkung des Schwerpunkts, vor allem aber, weil es mit 2500 Euro nicht ins Gewicht fällt) ordern kann. Der Innenraum in Manufakturanmutung inszeniert ein Selbstverständnis, bei dem alle denkbaren Accessoires zur Hand sind, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Man darf wieder Auto fahren, intensiv, als lohnende Hauptbeschäftigung. Ein Statement zur rechten Zeit.

BMW M850I X-DRIVE

Maße. L/B/H: 4851/1902/1346 mm. Radstand: 2822 mm. Leergewicht (EU): 1965 kg. Kofferraumvolumen: 420 Liter.

Motor. V8-Zylinder-Otto-Biturbo, 4395 cm3. Leistung max.: 390 kW (530 PS) bei 5500–6000/min. Drehmoment max.: 750 Nm bei 1800–4600/min.

0–100 km/h in 3,7 sec. Vmax: 250 km/h. Allradantrieb. Achtgangautomatik (Wandler).

Testverbrauch: 12,3 Liter/100 km.

Preis ab 145.950 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2019)

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