Zwillings-Ära beendet: Liberale Opposition triumphiert

(c) AP (Alik Keplicz)
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Polen: Schwere Schlappe für Regierungschef Jaroslaw Kaczynski. Haushohe Mehrheit für den Liberalen Donald Tusk. Tusk will nun alle polnischen Soldaten aus dem Irak abziehen.

Ende für die Zwillings-Herrschaft des polnischen Brüderpaars Jaroslaw und Lech Kaczynski. Zumindest die zweijährige Amtszeit von Jaroslaw als polnischer Regierungschef endet mit einer deutlichen Wahlschlappe. Die rechtsliberale "Bürgerplattform" (PO) ist laut Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe als stärkste Kraft aus der vorgezogenen Parlamentswahl in Polen von Sonntag hervorgegangen. Kaczynskis bisher regierende Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) landete demnach an zweiter Stelle.

"Gewaltige Manipulation" 

"Wir haben gegen eine breite Front verloren", erklärte Jaroslaw Kaczynski, dessen Zwillingsbruder Lech Staatspräsident ist. Eine "gewaltige Manipulation" habe sich zugetragen, so Kaczynski. Seine PiS werde eine zähe Opposition sein, kündigte er an. Zugleich sprach er sich für eine PO-Alleinregierung aus: "In der gegenwärtigen Situation wäre es das Beste, wenn die PO die alleinige Regierungsverantwortung übernehmen würde."

PO-Chef Donald Tusk kommentierte seinen Sieg in einer ersten Reaktion mit den Worten: "Nur Aussöhnung und gemeinsame Arbeit kann uns Glück geben." Tusk sagte: Die Bürgerplattform wolle, dass sich die Polen in ihrer Heimat besser als bisher fühlten. "Wir sind dankbar, dass ihr uns den Sieg gegeben habt, aber ihr habt uns auch eine Pflicht aufgelegt".

"IV. Republik hat viel Schaden verursacht" 

"Am 21. Oktober hat die IV. Republik geendet. Sie hat zwei Jahre gedauert und viel Schaden verursacht, aber der Wahlurteil ist eindeutig", sagte Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski (LiD) mit Bezug auf das Projekt der Kaczynskis, die vor zwei Jahren an die Macht kamen, Polen umzukremplen und staatliche Strukturen von Korruption sowie von angeblich nach wie vor bestehenden kommunistischen Seilschaften und dem Einfluss von Oligarchen zu säubern. Der Ex-Präsident übernahm die persönliche Verantwortung dafür, dass das Wahlergebnis der LiD offenbar schlechter ausfiel als erwartet.  

"Mission im Irak erfüllt"

Tusk will Anfang 2008 die polnischen Truppen aus dem Irak abziehen. Ein hochrangiges Mitglied der rechtsliberalen Bürgerplattform PO sagte in der Nacht auf Montag, die Mission der polnischen Soldaten im Irak sei erfüllt. Wann genau das 900 Mann starke Kontingent abgezogen werde, hänge allerdings von den derzeitigen Vertragsbedingungen ab.

Haushohe Mehrheit für Opposition

Nach Auszählung von einem Drittel der abgegebenen Stimmen wählten 40 Prozent der Wähler die PO, die damit 194 der 460 Abgeordnetenmandate im Sejm (Unterhaus) erhalten würde.

Die nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) des bisherigen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski hätte danach 32,6 Prozent der Stimmen und 173 Abgeordnete. Ebenfalls ins Parlament gewählt wurden das Mitte-Links-Bündnis LiD mit knapp 13 Prozent der Stimmen und 49 Mandaten sowie die gemäßigte Bauerpartei PSL mit 9,8 Prozent und 41 Abgeordneten.

Höchste Wahlbeteiligung seit 1989

Laut Prognosen des Instituts PBS DGA betrug die Wahlbeteiligung 55,3 Prozent. Sie wäre damit die höchste von allen freien Parlamentswahlen in Polen seit dem Ende des Kommunismus 1989. Weil daher in einigen Wahllokalen die Stimmzettel ausgingen, verzögerte sich die Veröffentlichung der exit polls um fast drei Stunden. Bei der letzten Parlamentswahl im Herbst 2005 nützten nur rund 40 Prozent der polnischen Bürger ihr Wahlrecht.

Monatelange Regierungskrise

Eine monatelange Regierungskrise und das Zerbrechen der Koalition der PiS mit der Samoobrona und der LPR hatten die Neuwahl nach sich gezogen. Ermittlungen der direkt dem Premier unterstehenden Zentralen Anti-Korruptionsbehörde (CBA) im Landwirtschaftsministerium, das Samoobrona-Chef Andrzej Lepper leitete, waren aufgeflogen: Die Ermittler hatten eine fingierte Bestechung eingefädelt. Lepper wurde von Regierungschef Kaczynski entlassen. Im Sommer verließen dessen Partei und die "Liga" die Koalition; seither stellte die PiS ein Minderheitskabinett. (Ag./Red.)

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