Spanien bleibt auf Linkskurs

(c) AP (Sergio Torres)
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Parlamentswahl: Klarer Sieg der Sozialisten von Premier Zapatero, eine absolute Mehrheit im Parlament dürfte aber knapp verfehlt werden.

Palma/Madrid. Wenn Spaniens Wahlen vom gestrigen Sonntag ein Gesicht hatten, dann jenes der 20-jährigen Sandra Carrasco. Die junge Frau mit dem breiten Pony und dem Lippen-Piercing hatte die 35 Millionen Wähler des Königreiches aufgefordert, "massiv zu den Urnen zu gehen". Am Freitag war ihr Vater, der ehemalige sozialistische Stadtrat Isaías Carrasco, im Baskenland von der baskischen Terrororganisation ETA ermordet und am Samstag unter großer Anteilnahme der Menschen beigesetzt worden.

Die Spanier waren dem Aufruf gefolgt und hatten sich mit mehr als 60 Prozent beteiligt - fast so hoch wie 2004 nach den blutigen Anschlägen islamistischer Terroristen in der Madrider S-Bahn.

Die hohe Beteiligung kam offenbar der regierenden Sozialistischen Partei (PSOE) von Premier José Luis Rodríguez Zapatero zugute. Erste Hochrechnungen nach Schließung der Wahllokale um 20 Uhr bestätigten 45 Prozent der Stimmen für die PSOE gegen 38,6 Prozent für die konservative Volkspartei (PP) mit Spitzenkandidat Mariano Rajoy. Aufgrund des ungleichmäßigen Wahlkreiszuschnitts könnten die Sozialisten sogar die absolute Mehrheit von 176 Sitzen im Madrider Abgeordnetenhaus erhalten - gegenüber 148 bis 152 Sitzen für die PP. Laut Prognosen am späten Abend dürfte die Absolute aber knapp verfehlt werden.

Kleiner Erdrutschsieg

Dies wäre ein kleiner "Erdrutschsieg" für Zapatero, dem ein derart überzeugendes Ergebnis nicht zugetraut worden war. Bei den Wahlen 2004 erhielt die PSOE nur 164 Sitze, die PP 148 Sitze.

Doch auch ohne absolute Mehrheit scheint eine Wiederauflage der Zapatero-Regierung sicher: Zusammen nur mit einer der kleinen Parteien, den gemäßigten Nationalisten aus Katalonien (CiU, rund zehn Sitze), dem Baskenland (PNV, rund sieben Sitze) oder der postkommunistischen Vereinigten Linken (IU, rund fünf Sitze) könnte eine stabile Mehrheit zustande kommen. Die kleinen Parteien von den Kanaren (CC), und Galicien (BNG) dürften je auch maximal zwei Sitze kommen; der Einzug auch baskischer Nationalisten ins Madrider Parlament schien zunächst ungewiss.

Sozialisten punkteten

Die Sozialisten konnten auch in ihrer traditionellen Hochburg, der relativ armen Region Andalusien punkten, wo ebenfalls ein neues Autonomieparlament gewählt wurde: Hier behauptete sich erneut der mächtige Landesvater Manuel Chaves.
Dennoch wollte in der PSOE-Zentrale in Madrid am Sonntag kurz nach 20 Uhr noch niemand so richtig feiern. Premier Zapatero gab die Losung aus, zunächst das endgültige Wahlergebnis abwarten zu wollen. Auch bei der PP hielt man sich vorerst mit Kommentaren zurück.

Die Mannschaft um Rajoy war allerdings auch nicht auf ein derartiges Abschneiden des politischen Gegners eingestellt. Nach den Aufsehen erregenden TV-Duellen der Spitzenkandidaten der vergangenen zwei Wochen hatte der PP-Spitzenkandidat Rajoy deutlich an Statur gewonnen. Der politische Ziehsohn von Ex-Premier José María Aznar hatte mit Reizthemen wie der Immigration und der fruchtlosen Verhandlungen Zapateros mit der ETA während des vergangenen Waffenstillstands 2006 punkten können.

Traurige Tradition

Anschläge vor Wahlen haben in Spanien leider eine traurige Tradition. Ein knappes Jahr vor den Wahlen 1996 versuchte die ETA, den damaligen konservativen Spitzenkandidaten und späteren Premier José María Aznar in seinem Dienstwagen zu ermorden, vor den Wahlen im Jahr 2000 wurden ein sozialistischer Stadtrat und sein Leibwächter erschossen.

Das gewalttätigste Blutbad richteten freilich islamistische Terroristen an, als diese drei Tage vor den Wahlen vom 14. März 2004 mehrere mächtige Bomben in Madrider Vorstadt-Zügen deponierten. Durch deren Explosion wurden nicht weniger als 192 Menschen getötet. Zusammen mit diesen Opfern muslimischen Terrors verloren vor Wahlen in Spanien bereits 221 Personen durch die Hand von Terroristen ihr Leben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2008)

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