Verfassungsdienst: Rechtsdienst der Regierung wird 100

Am Dienstag feiert der Verfassungsdienst sein 100-jähriges Bestehen.
Am Dienstag feiert der Verfassungsdienst sein 100-jähriges Bestehen.(c) BilderBox
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Morgen vor genau 100 Jahren hat Staatskanzler Karl Renner jenen „Gesetzgebungsdienst“ eingerichtet, auf den der Verfassungsdienst zurückgeht.

Wien. Am 11. Dezember 1918 hat der damalige Staatskanzler Karl Renner einen Erlass genehmigt, mit dem in der noch ganz jungen Republik Österreich ein neuer „Gesetzgebungsdienst“ eingerichtet worden ist. Es war die Geburtsstunde des Verfassungsdienstes, der morgen, Dienstag, mit einem Festakt im Justizministerium sein 100-jähriges Bestehen feiert. Auf die Verfassungskonformität von Gesetzesvorhaben des Bundes zu achten ist auch heute eine der Hauptaufgaben dieser Institution.

Das klappt nicht immer reibungslos. Jene seltsame Gesetzesänderung beispielsweise, mit der Sozialministerin Beate Hartinger-Klein hätte ermächtigt werden sollen, ohne weitere gesetzliche Grundlagen „Vorbereitungshandlungen“ im Sozialversicherungsrecht vorzunehmen, hätte einer vorhergehenden verfassungsrechtlichen Prüfung wohl nicht standhalten dürfen. Die türkis-blaue Koalition hat damit das Legalitätsprinzip, die Bindung der staatlichen Verwaltung ans Gesetz, punktuell ausgehebelt. Das ging so schnell, dass der Verfassungsdienst erst gar nicht gefragt wurde. Als neben vielen externen Experten und der Opposition dem Vernehmen nach auch der Verfassungsdienst nachträglich seine Einwände erhob, besann sich die Koalition doch noch eines Besseren und machte sich an die rückwirkende Abschaffung der verfassungswidrigen Ermächtigung.

Verfassungskonformität als Ziel

Im Normalfall kann der Verfassungsdienst aber schon im Vorhinein auf eine verfassungskonforme Ausgestaltung von Bundesgesetzen hinwirken. Änderungen der Bundesverfassung, wie die in der Vorwoche beschlossene erste Kompetenzbereinigung zwischen Bund und Ländern, werden überhaupt vom Verfassungsdienst vorbereitet und nicht nur begutachtet. Dazu kommt noch die Aufgabe, die Bundesregierung vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) und vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu vertreten.

Schon zweimal wurden Chefs des Verfassungsdienstes, dem von Beginn an „außerordentlich tüchtige Kräfte“ angehören sollten, später zu VfGH-Präsidenten: Ludwig Adamovich auf direktem Weg, Gerhart Holzinger mit einer Zwischenstation als VfGH-Mitglied (ein solches ist heute auch Georg Lienbacher, der ebenfalls Verfassungsdienst-Chef war).

Seit bald einem Jahr ist der Verfassungsdienst nicht mehr eine Sektion des Bundeskanzleramts, sondern ins neu geschaffene Ministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz unter Minister Josef Moser eingegliedert. Für Gerhard Hesse, seit 2010 Chef des Verfassungsdienstes, hat sich die Sektion gut im neuen Ministerium eingelebt. Deren Sitz ist allerdings am ehemaligen Standort des Arbeits- und Sozialgerichts in der Wickenburggasse, in der zufällig auch Hans Kelsen lebte, der Schöpfer der Verfassung.

Zuweilen werden in den Verfassungsdienst auch zu hohe Erwartungen gesetzt: Immer wenden sich verurteilte Straftäter an ihn mit der Hoffnung, er könne etwas gegen die vermeintliche Verfassungswidrigkeit der Strafe tun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2018)

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