Medizin

Über das Smartphone mit dem Arzt verbunden

Patienten messen zu Hause Gesundheitswerte, die per App an Pfleger und Ärzte gemeldet werden.
Patienten messen zu Hause Gesundheitswerte, die per App an Pfleger und Ärzte gemeldet werden.(c) imago images / PhotoAlto (Fr�d�ric Cirou via www.imago-images.de)
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Das Programm „HerzMobil Tirol“ ist Vorbild in Sachen Telemedizin: Patienten messen zu Hause Gesundheitswerte, die per App an Pfleger und Ärzte gemeldet werden. Nun soll die Digitalisierung einen Schritt weiter gehen.

Etwa zehn Prozent der Bevölkerung über 65 Jahren leiden an Herzinsuffizienz, allgemein als Herzschwäche bekannt. Ein typisches Merkmal sind nächtliche Atembeschwerden. Nun will ein internationales Konsortium mit Wiener und Tiroler Beteiligung im Projekt Telemed5000 moderne Digitalisierung und künstliche Intelligenz nutzen, um die Lebensqualität von Patienten mit Herzinsuffizienz zu steigern. Die Forscher und Mediziner in Tirol haben seit mehreren Jahren Erfahrung mit Telemedizin, also der Betreuung von Patienten außerhalb des Krankenhauses, digital überwacht mithilfe des Smartphones.

„HerzMobil Tirol“ heißt das Vorzeigeprojekt: Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz erhalten im Krankenhaus eine Einschulung, wie die Smartphone-App Daten aus dem Blutdruckmessgerät oder der Personenwaage bezieht (über Bluetooth) und wie sie zu Hause selbst die Messungen erledigen. Die Daten werden zentral gesammelt und von Pflegepersonal und Ärzten kontrolliert, damit eine Verschlechterung des Gesundheitszustands schnell erkannt wird, ohne dass der Patient ständig zum Arzt gehen muss. Die Therapie wird in Echtzeit an den Zustand des Patienten angepasst.

Weniger oft ins Krankenhaus

„Bisher haben wir rund 400 Personen telemedizinisch versorgt: Wir konnten die Wiederaufnahme-Rate ins Krankenhaus von bis zu 50 Prozent auf 25 Prozent halbieren und die Mortalität nach einem Jahr deutlich reduzieren“, erklärt Clemens Rissbacher, Vorstand des Landesinstituts für Integrierte Versorgung Tirol (LIV). Zudem verkürzt sich die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus.

Die Technologie dahinter wird vom Austrian Institute of Technology (AIT) entwickelt: „Viele Studien zeigen, dass die Telemedizin erfolgreich ist. Der nächste Schritt geht in Richtung Entscheidungsunterstützung und künstliche Intelligenz“, sagt Anton Dunzendorfer vom Center for Health & Bioresources am AIT. Wie kann man künstliche Intelligenz nutzen, um das Pflegepersonal zu entlasten? Die Software soll durch immer mehr verfügbare Daten der Patienten selbstständig lernen, welche Hinweise auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustands darin stecken. „Wir wollen alle möglichen biophysikalischen Faktoren einfließen lassen“, so Dunzendorfer. Bei Telemed5000, unter der Leitung der Charité Berlin, forschen z. B. die Projektpartner am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme in Bonn an der Analyse der Stimme der Patienten, um zu erkennen, wie es ihnen geht.

Bewegungsprofil als Info

Die Tiroler Forscher haben derzeit in einer Tele-Reha-Pilotstudie mit der Pensionsversicherungsanstalt erste Patienten in ein erweitertes Telemonitoring eingebunden. „Am Ende der Reha erhält der Patient die Einschulung für den Umgang mit dem Ergometer, das dann auch bei ihm zu Hause steht. Der Trainingstherapeut erhält über die App die Information über den Gesundheitszustand und die Bewegungseinheiten. So kann man die Ergometer-Trainings wie ein Medikament in der Dosis an den Zustand des Patienten anpassen“, erklärt Rissbacher. In Zukunft soll die Kontrolle des Bewegungsprofils noch weiter gehen: Wenn etwa ein Herzschwäche-Patient nachts öfter aufstehen muss, ist das ein Anzeichen, dass er beginnt, Wasser einzulagern. „Das allgemeine Bewegungsverhalten auch tagsüber gibt früh Hinweise auf eine Verschlechterung: Ziel ist, dass die Software dies durch künstliche Intelligenz erkennt und die Ärzte informiert, die dann die Therapie optimal anpassen können“, sagt Rissbacher.

Dies soll Krankenhausaufenthalte verhindern: Denn jede stationäre Dekompensation der Herzinsuffizienz bedeutet nicht nur Kosten für das Gesundheitssystem, sondern auch einen Verlust von Lebensqualität für den Patienten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2019)

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