Spielraum

Ousmane Dembélé, eine Transferposse

Die Transferposse um Dortmunds Ousmane Dembélé zeigt in einer erschreckenden Einzigartigkeit, wie sehr Vereine wechselwilligen Spielern ausgeliefert sind. Verträge sind (fast) nichts mehr wert.

Ousmane Dembélé ist zweifelsohne ein außergewöhnlich guter Fußballer. Borussia Dortmund erkannte das Ausmaß seines Talents früher als andere Vereine und lotste ihn im Vorjahr um 15 Millionen Euro Ablöse von Stade Rennes in den Ruhrpott. Nur ein Jahr später buhlt der große FC Barcelona nach dem Abgang von Superstar Neymar um die Dienste Dembélés, der sich den Katalanen liebend gern anschließen würde.

Dortmund bewies bei der Vertragsunterzeichnung Weitsicht und nahm den quirligen 20-Jährigen langfristig bis 2021 unter Vertrag. Allerdings scheint Dembélé diese Tatsache völlig egal zu sein. Allein die Vorstellung, Seite an Seite mit Lionel Messi im Camp Nou auflaufen und gewiss noch ein paar Millionen mehr als in Dortmund verdienen zu können, dürfte eine hypnotisierende Wirkung auf den französischen Nationalspieler haben.

Dortmunds Idee war es gewiss nicht, Dembélé nach dem Ablauf von nur einem von fünf Vertragsjahren zu verkaufen, nun aber sieht man sich seit eineinhalb Wochen mit einem echten Problemfall konfrontiert. Dembélé möchte seinen Wechsel zu Barcelona erzwingen, weswegen er kurzerhand unentschuldigt vom BVB-Training fernblieb und dort seitdem auch nicht mehr auftauchte. Die Vereinsführung der Borussia reagierte mit einer vorläufigen Suspendierung des Spielers vom Trainings- und Spielbetrieb, es herrscht Funkstille zwischen den beiden Parteien. Dembélé begeht im Grund nichts anderes als Vertragsbruch, er kommt in Dortmund seiner Arbeit nicht nach, weil er sie anderswo lieber ausüben möchte. Die Causa zeigt in aller Deutlichkeit die vereinsseitige Hilflosigkeit, sobald ein Spieler seinen dringenden Wechselwunsch äußert. Dann ist ein Vertrag, unabhängig von seiner Laufzeit, (fast) nichts mehr wert.

An die Moral des Spielers zu appellieren ist zumeist nur vergebliche Liebesmüh. Auch das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Werte wie Teamgeist oder Loyalität verlieren schlagartig an Bedeutung. Vor wenigen Tagen äußerte sich Dortmunds griechischer Innenverteidiger Sokratis in Bezug auf das Verhalten seines Teamkollegen: „Jeder muss kapieren, dass er für die Mannschaft zu arbeiten und sich einzuordnen hat. Das gilt auch für Ousmane. Kein Spieler ist größer als die Mannschaft. Er kann nicht einfach machen, was er will.“

Eine Rückkehr Dembéleś in den Dortmunder Mannschaftsbetrieb scheint unter den derzeitigen Gegebenheiten schwer vorstellbar bis unmöglich. Die Borussia hat sich insgeheim wohl schon damit arrangiert, ihr trotziges Juwel abzugeben. Am Ende des Tages ist aber ohnehin wieder alles eine Frage des Geldes: 150 Millionen Euro für Dembélé – und jeder Ärger ist vergänglich . . .

christoph.gastinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2017)

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