Robert Amsterdam: „Wien ist der Kanal der russischen Geldwäsche“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Robert Amsterdam, Anwalt des inhaftierten Oligarchen Chodorkowskij, kritisiert Österreichs Banken: "Es ist unter westlichen Bankern fast eine Ideologie, so zu tun, als wüssten sie nichts von Korruption".

Die Presse: Herbert Stepic, Chef von Raiffeisen International und seit zwei Jahrzehnten in Osteuropa tätig, hat im Jänner im „Presse“-Interview Folgendes gesagt: „Wir als Bank haben mit dem Phänomen Korruption nichts zu tun.“ Hat er recht?

Robert Amsterdam: Ich glaube, dass das jeder sagen muss, der für Raiffeisen arbeitet.

Wieso?

Amsterdam: Weil viele, die ihre Geschäfte in diesen Ländern machen, ihre Gewinne nach Österreich transferiert haben. Und wie Sie wissen, gibt es so etwas wie Geldwäsche. Darum muss man extrem vorsichtig im Hinblick auf die Dinge sein, von denen man Kenntnis hat. Daher ist es unter westlichen Bankern fast eine Ideologie, so zu tun, als wüssten sie nichts von Korruption. Herr Stepic sollte den letzten Bericht von Transparency International lesen. Wenn er aus seinen Träumen erwacht, könnte er sich auch an die Weltbank wenden, oder einen der zahlreichen Berichte aus Russland lesen, die zeigen, dass das Ausmaß der Korruption in Russland in den letzten Jahren um den Faktor zehn gestiegen ist. Russland ist nun gleichauf mit Schwarzafrika. Ich muss Herrn Stepic sagen: „Wake up and smell the coffee.“ Es ist Zeit, ehrlich darüber zu reden, was los ist. Es geht nicht darum, ob er persönlich in korrupter Absicht angesprochen worden ist oder nicht. Sondern darum, dass Länder wie Russland und Bulgarien in Korruption ertrinken. Die Lage ist so schlimm, dass der designierte russische Präsident Medwedjew dem Kampf gegen die Korruption höchste Priorität eingeräumt hat.

Wenn österreichische Banken mit Kritik dieser Art konfrontiert werden, hört man von ihnen oft das Argument, das sei nur der Neid der US-Banken, weil sie die Öffnung Osteuropas verschlafen haben. Sogar bei kritischen Berichten des Internationalen Währungsfonds heißt es, der IWF sei halt von den USA und ihren Banken gesteuert.

Amsterdam: Ich stimme zu, dass man US-Kritik sehr vorsichtig bewerten muss. Da spielt oft eine Art rechtlicher Imperialismus mit. Österreich hat eine große Kenntnis dieser Märkte, die ich bewundere, und hat sich dort unternehmerisch sehr geschickt verhalten. Ich kritisiere Österreich aber von der russischen Warte aus. Die Korruption, gegenüber der österreichische Banken gleichsam blind sind, erstickt Russlands Hoffnungen. Österreichs Banker müssen Verantwortung für das empörende Verhalten übernehmen, das bezüglich der Energiepolitik in Russland stattfindet. Und bezüglich der Milliarden, die aus diesen Aktivitäten über Wien gewaschen werden. Wien ist der Abwasserkanal der russischen Geldwäsche. Wir können nicht für Demokratie in Russland kämpfen, wenn wir den Fluss schmutzigen Geldes nach Österreich nicht stoppen können. Und dazu müssen wir uns Unternehmen wie Rosukrenergo (siehe Infokasten) genau anschauen – eine Firma, die Russland in die Ukraine pflanzt und die sich offen rechtswidrig verhält. Die verstecken das nicht einmal.

Die zynische Antwort auf Ihren Appell lautet: Wenn wir es nicht machen, machen es die Chinesen.

Amsterdam: Dann lassen Sie es die Chinesen halt machen. Denn wissen Sie was? Korruption schadet beiden Teilnehmern – auch dem korrumpierenden. Schauen Sie sich nur das zweifelhafte Verhalten der Deutschen Bank in Turkmenistan an.

Stichwort Turkmenistan: Was halten Sie davon, dass Europas Politiker völlig aus dem Häuschen sind, Turkmenistan als alternativen Gaslieferanten zu bekommen – das bekanntlich alles andere als eine Demokratie ist?

Amsterdam: Ich glaube nicht, dass jedes Land eine Demokratie-Prüfung bestehen muss, bevor man seine Energieträger kaufen darf. Wir kaufen schließlich auch seit Jahrzehnten Öl von Saudiarabien. Wir müssen aber eine Sache auf jeden Fall sicherstellen: Europa darf nicht zu stark von einer Energiequelle abhängig sein. Und Russland ist da ziemlich nahe dran, zu viel Einfluss zu haben und Europas Staaten auseinander zu dividieren. Während wir hier sprechen, übernimmt Gazprom den italienischen Gasmarkt.

Was sollten Europas Politiker tun?

Amsterdam: Sie müssen erkennen, dass sie ein Nachfragemonopol gegenüber Russland erzeugen können. Wenn Herr Putin eine Gas-Opec gründen will, muss Europa dem ein Nachfragekartell gegenüberstellen und sein Gas gemeinsam einkaufen. Warum erlauben die Europäer Russland, bilaterale Verträge zu verhandeln, bestimmte Eliten zu korrumpieren, die EU gegen die Nationalstaaten auszuspielen? Wenn Herr Putin und Gazprom all die Gas-Verteilstationen bauen würde, die sie versprochen haben, könnten Sie nirgendwo in Europa ein Streichholz anzünden – weil soviel Gas in der Luft wäre.

Sie sagen das in einem Land, dass sich einer vier Jahrzehnte währenden Erdgas-Partnerschaft mit Gazprom rühmt.

Amsterdam: Aber dieses Land hat auch andere Quellen als Russland.

Die sehen aber nicht sehr erfreulich aus. Neben Turkmenistan bleibt da vor allem der Iran – wo die OMV für ihr Engagement kritisiert wird.

Amsterdam: Ich bin total für die iranische Option. Europa muss mit dem Iran ebenso in Beziehung treten wie mit Russland und Norwegen. Russland treibt schließlich auch mit dem Iran sein Unwesen. Keinem Land dient es mehr, dass Iran ein Paria-Staat bleibt.

Was sagen Sie zu der Ansicht, solange Öl und Gas so teuer sind wie derzeit, gebe es keinen Hebel, um Russland in die Schranken zu weisen?

Amsterdam: Dem stimme ich überhaupt nicht zu. Die russische politische Führung hat sich im illegalen Kauf von Vermögenswerten in Russland betätigt und einen grausamen Krieg in Tschetschenien geführt. Darum hat sie ein starkes Interesse an guten Beziehungen zum Westen. Ich glaube nicht an die Vorstellung, in Russland herrsche Straflosigkeit. Überall auf der Welt werden ehemalige Staatschefs zur Rechenschaft gezogen – fragen Sie mal Herrn Fujimori (Perus Expräsident, der im November 2007 zu einer Haftstrafe verurteilt worden ist, Anm. d. Red.).

Wird sich unter Präsident Medwedjew etwas ändern?

Amsterdam: Ich glaube ja. Am 7. Mai werde ich jedenfalls den Umstand feiern, dass Russland einen Jusprofessor zum Präsidenten hat – und nicht einen ehemaligen KGB-Spion.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2008)

Auf einen Blick

Robert Amsterdam vertritt Michail Chodorkowskij, den 2003 wegen Steuerbetrugs inhaftierten Gründer des einst größten russischen Ölkonzerns Yukos. Der Kanadier kritisiert die Firma Rosukrenergo. Sie handelt in der Ukraine mit Gas, gehört zur Hälfte Gazprom und spielte beim „Gas-Krieg“ 2006 eine dubiose Rolle. Die andere Hälfte hielt damals Raiffeisen Investment treuhändig.

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